Die späte Unschuld des Michael Jackson

Nach dem Tod von Michael Jackson erscheinen noch immer neue Biografien. Ian Halperins «Unmasked» ist trotz etlicher Peinlichkeiten lesenswert - etwa wegen der These, dass dessen Missbrauchs-Skandale gar keine waren.
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'Unmasked' von Ian Halperin
Promo 'Unmasked' von Ian Halperin

Nach dem Tod von Michael Jackson erscheinen noch immer neue Biografien. Ian Halperins «Unmasked» ist trotz etlicher Peinlichkeiten lesenswert - etwa wegen der These, dass dessen Missbrauchs-Skandale gar keine waren.

Im Dezember 2008 landete der kanadische Journalisten Ian Halperin seinen größten Coup. Sänger Michael Jackson, so Halperin damals, sei schwer krank und habe nur noch sechs Monate zu leben. Sechs Monate und genau einen Tag später, so Halperin nun ganz stolz auf dem Cover seiner jetzt auch auf Deutsch vorliegenden Biografie «Unmasked - Die letzten Jahre des Michael Jackson», war der «King of Pop» tot. Richtig lag der Journalisten, Musiker und Filmemacher also tatsächlich, wenn auch nicht ursächlich. Erst kürzlich ergab die Autopsie des am 25. Juni verstorbenen Sängers, dass dieser erstaunlich gesund bei seinem plötzlichen Tod war und offenbar nur eine Überdosis Medikamente ihm den Garaus machte.

Neues von Fidel Castro

Dennoch ist «Unmasked» auch bei all der zur Schau getragenen Eitelkeit seines Verfassers ein durchaus lebenswertes Buch über Michael Jackson geworden. Weniger, weil Halperin, der auf seinem Blog Ianundercover.com stets auch kleinere und größere Enthüllungen über Stars und Sternchen bereithält - wie etwa, dass Fidel Castro angeblich ein großer Fan von Angelina Jolie ist - nun sonderlich viel Neues enthüllt. Nein, interessant ist das Buch vor allem, weil es viele der Mythen und Legenden, die den «King of Pop» zu Lebzeiten umgeben haben, auf den Prüfstand stellt und dabei auch ihre mediale Entstehung mit berücksichtigt.

Geldgier, allüberall

Die interessantesten - und auch umfangreichsten - Kapitel des Buches sind jene, in denen Halperin noch einmal den Missbrauchsprozess gegen Jackson, aber auch die ersten Vorwürfe der Pädophilie gegen den Sänger (den Fall Jordan Chandler) noch einmal aufrollt. Seine These ist ebenso schlagend wie überraschend: Seiner Meinung nach war Jackson tatsächlich in beiden Fällen unschuldig und nur das Opfer von Erpressern und seinem geldgierigen Umfeld. So entsteht auch ein Lehrstück in Medienkritik, etwa, wenn Halperin lange nach den Schlagzeilen, deren vermeintliche Fakten sich ins öffentliche Gedächtnis gegraben haben, noch einmal mit Protagonisten spricht - unter anderem hatte er Kontakt zu dem einstigen Kinderstar Macaulay Culkin, Jacksons Vertrauter Liza Minnelli oder Jacksons erster Frau Lisa Marie Presley (und liefert so ganz nebenbei noch eine neue Theorie für die bis heute schwer verständliche Eheschließung des Paares - demnach habe die Scientology-Sekte Presley zu dem Schritt gedrängt).

Warum zahlte Jackson Jordan Chandler aus?

Oder aber, wenn er Gerichtsurteile oder Versicherungsunterlagen hinzuzieht, die oft Jahre nach den entsprechenden Vorwürfen gegen Jackson ein ganz anderes, wenig vertrauenserweckendes Bild der Beschuldiger zeichnet. Selbst für die bis heute verdächtig wirkende Millionenzahlung an den kleinen Jordan Chandler liefert Halperin eine Erklärung: Diese sei auf Drängen von Jacksons Versicherung erfolgt, die sich einen Prozess ersparen wollte und selbst zahlte.

«Eindeutige» Avancen

Dass Jackson, wie vorhergesagt, im Juni dieses Jahres starb, begründet Halperin in seinem Buch nun primär mit dessen Angst vor dem geplanten Comeback. Am 21. Juni, also vier Tage vor dem Tod, habe Jackson einem Mitarbeiter (und Halperins Vertrauten) erzählt, dass er nur noch sterben wolle. Er habe keine Stimme mehr und schaffe auch die Tanzbewegungen nicht mehr. «Ich bin am Ende», habe Jackson voller Verzweiflung über die bevorstehenden 50 Auftritte gejammert. Er sehe keinen anderen Ausweg als den Tod.

Halperins These: Der Sänger beging per Medikamenten-Überdosis Selbstmord. Inwieweit das stimmt, dürfte der Prozess gegen den Leibarzt Conrad Murray zeigen. Eingeschworenen Jackson-Fans bietet «Unmasked» nur wenig

Neues. Einige der Behauptungen sind gar schier lachhaft und von der Eitelkeit des Autors gezeichnet - unter anderem die These, dass der Sänger in Wahrheit homosexuell orientiert sei, was sich daran zeige, dass Jackson ihm bei der einzigen echten Begegnung von Porträtierten und Autor, «mit den Augen» eindeutige Avancen gemacht habe. Der laut Cover «New York Times»-Bestseller - dort erreichte «Unmasked» die Eins, wenn auch nur für kurze Zeit - schaffte es in den deutschen Verkaufslisten (bisher) nicht bis nach vorne. «Unmasked. Die letzten Jahre von Michael Jackson» von Ian Halperin ist bereits bei Hoffmann & Campe erschienen. 320 Seiten, 17,99 Euro.

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