Die Schattenfrau
Sie schreibt Songs für Nena und Udo Lindenberg, ihre Formation „Ich+Ich“ steht in den Charts. Jetzt wird Annette Humpe in Hamburg mit dem Musikautorenpreis geehrt – dabei mag sie doch gar kein Blitzlicht
Und das, wo sie doch so ungern im Mittelpunkt ist. „Am liebsten würde ich mit dem Rücken zum Publikum stehen“, sagt die Künstlerin in jedem zweiten Interview, „und mit guten Kumpels Musik machen.“ Aber das ist natürlich nicht möglich, wenn man, wie jetzt, mit dem deutschen Musikautorenpreis ausgezeichnet wird.
In Hamburg war das, und alle waren sie wieder da. Alte Freunde, neue Wegbegleiter, stille Bewunderer von Annette Humpe: Annett Louisan mit großer Sonnenbrille, Judith Holofernes mit rundem Babybauch, Mousse T. einträchtig neben Michael Holm – und natürlich Udo Lindenberg. Mit dicker Zigarre im Mundwinkel und Schlapphut tief in die Stirn gezogen umtanzte, umgarnte, umsäuselte er seine alte Freundin, küsste und kitzelte sie, lockte sie ins Blitzlicht. Da aber fühlt sie sich sichtlich nicht wirklich wohl.
Ihr Reich ist das Halbdunkel hinterm Synthesizer
Annette Humpe ist die Frau dahinter. Ein Schattenmensch. Sie ist gern unsichtbar, sie arbeitet lieber im Verborgenem. Ihr Reich ist das Halbdunkel hinter dem Synthesizer, wo sie die Melodien bastelt, die Adel Tawil singt. Zusammen sind die beiden das Popduo „Ich+Ich“, aber gemeinsame Live-Auftritte der zwei gibt es nicht. „Ich habe mich von der Bühne verabschiedet, bevor irgendjemand fragt: Was macht die Alte denn da“, sagt Annette Humpe, und es klingt, als sei die 58-Jährige mittlerweile im Reinen mit sich.
Das war nicht immer so. Am Anfang der Karriere war ihr Ego wild und gefräßig, Humpe eine Rampensau, eine junge, laute Frau, die mit ihrer Band „Ideal“ den Startschuss für die „Neue Deutsche Welle“ gab. „Blaue Augen“ hieß der Titel, der damals in allen Radiostationen der Republik rauf und runter gespielt wurde, Humpe sang ihn und spielte Keyboard. Es war Anfang der 80er, und das musische Mädchen aus dem beschaulichen Hagen fand sich unvermittelt im Kreuzberger-Kiez wieder, inmitten eines großen musikalischen Aufbruchs.
Humpe schreibt, singt, performt, produziert
Humpe tobt sich aus, schreibt, singt, performt. Sie produziert Titel für die Gruppe „DÖF“ und für Rio Reiser, sie gründet gemeinsam mit ihrer Schwester Inga eine Band, nimmt bis 1987 zwei Alben auf. Dann, Anfang der 90er, hört sie plötzlich auf, für sich Songs zu schreiben, zieht sich von der Bühne zurück. Humpe produziert nun Künstler wie Udo Lindenberg, Nena, Die Prinzen, Lucilectric. Doch das scheint ihr auf Dauer nicht zu genügen. 2004 gründet sie die Formation „Ich+Ich“, das Album „Vom selben Stern“ wird ihr größter Erfolg.
„Ich identifiziere mich nicht mehr mit Erfolg“, sagt Annette Humpe. Sie interessiert sich jetzt sehr für Buddhismus.
Jan Chaberny
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