Die Q Award-Gewinner Foals und ihr "Leben im Song"
München - Gerade war die britische Band Foals am Montag vom "Q-Magazine" als "Beste Liveband" ausgezeichnet worden, da nutzte Sänger Yannis Philippakis (27) die Gelegenheit schon für eine kleine Abrechnung. Zu "höflich" und "geschniegelt", zu sehr "in Sorge um ihre Karrieren" seien britische Rockmusiker dieser Tage, diktierte er einem Journalisten in den Block. Zu viel Kalkulation also: "Das ist das Problem".
Keine 24 Stunden später sitzt Philippakis im fensterlosen Backstage-Raum der Münchner Theaterfabrik. "Ein wenig verkatert", wie er selber zugibt. Und, anders als es die bisweilen wilden Live-Shows der Band vermuten lassen würden: Ganz relaxt. Philippakis stürzt sich schließlich gerne einmal in einen ekstatischen Ausflug samt Gitarre ins Publikum. Jetzt sitzt der kleine, vollbärtige Mann auf dem Sofa, einen Laptop auf den Knien, den er allerdings schnell beiseite stellt. "Vor einem Auftritt muss ich gespannt sein wie eine Feder", erklärt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur spot on news. "Aber jetzt habe ich mich noch nicht vorbereitet".
Das Schlagwort "Spannung" passt auch zur Musik der Foals. Schwirrende Indie-Gitarren, manchmal singende Melodien - und dazu Versatzstücke eines Genres, das nicht nur "Math-Rock" genannt wird, sondern auch so kompliziert ist, wie es der Name andeutet. Leicht unregelmäßige Beats, Hektik. Und zwischendrin auch mal etwas Weltbewältigung. Zum Beispiel in dem Song "Spanish Sahara", dessen Videos auf Youtube fast sieben Millionen mal abgespielt wurden und die Band auch in Deutschland bekannt machte. "Leave the horror here, it's future rust, ist's future dust", fordert Philippakis in dem Track. Ähnlich gestrickte Songs finden sich auch auf der jüngsten Platte "Holy Fire".
"Leave it all down here": "Ausbruch" wäre so ein Wort, das zum Projekt Foals passt, findet auch Philippakis. "Ich wollte entkommen. Ich wollte außerhalb von dem sein, was ich als das ,normale' Leben, das ,statische' Leben empfand", erklärt der Sänger, warum er auch nach hunderten Konzerten des Tourens noch nicht müde ist. Auch der Prozess des Songschreibens sei "eine Art Flucht", sagt er. "Manchmal denke ich, dass ich gerne einen Song machen würde, in dem ich leben kann, den ich bewohnen kann. Ich würde lieber in einem Song leben, als in der langweiligen Alltags-Realität."
Und gerade auf der Bühne sei er ein anderer Mensch: "Manchmal denke ich, derjenige, der ich auf der Bühne bin, hat nichts mit der Person zu tun, die jetzt hier sitzt". Dazu gehören auch die bisweilen wilden Ausflüge ins Publikum - samt Sprung vom Boxenturm oder Zuschauerbalkonen. "Normalerweise... Naja. Ich mag die Höhe nicht besonders", sagt Philippakis mit einem kurzen, schelmischen Seitenblick. Diese Art von Entertainment will er dem Publikum übrigens nicht garantieren: "Das ist nicht geplant, aber eine Gewohnheit. Ich fühle mich aber nicht verpflichtet."
Ein gelungenes Konzert führe ihn aber in einen "anderen Geisteszustand". Zu einem solchen gehört seiner Ansicht nach auch "Chaos". Zu viel Professionalität führe zu mechanischen Auftritten und Seelenlosigkeit, bekräftigt er auch in München noch einmal. Das habe er bei Konzerten von Kollegen gesehen - die er jetzt lieber nicht namentlich nennt. "Ich finde es spannend, nicht zu wissen, was passieren wird, den 'Tanz' und das 'Flirten' mit dem Abend." An dieser Stelle schaut der Musiker dann auch hellwach ins Neonlicht des Raums und die Spuren des Tourlebens - "ich liebe es, Party zu machen", sagt Philippakis - weichen aus dem Gesicht.
Und wie schreibt man so einen Song wie "Spanish Sahara", der Menschen berührt? "Das kann man nicht erzwingen. Ich weiß das. Manchmal muss man lange warten". Ein paar Leitlinien gebe es aber: "Die Songs entfalten sich erst zu voller Größe, wenn ich es hinbekomme eine "Hochzeit" zwischen Text und Musik herzustellen." Bei den Lyrics achte er darauf, auch einmal "Trost" anzubieten: "Als ich selber so 14, 15 war, da war ich wütend und ich wollte rebellieren. Ich war verwirrt - aber vor allem wütend. Und ich habe so viel Trost daraus bezogen, dass ich sowas wie einen Freund in der Musik hatte. Besonders in der Beziehung zu Lyrics."
Insofern bedeute Songwriting auch Verantwortung, findet Philippakis. Je älter er werde, desto mehr wisse er um die Möglichkeiten und die Verpflichtungen des Kommunizierens. "Ich weiß, was man mit einem Song tun kann, der das Leben eines Menschen für drei oder vier Minuten in Besitz nimmt." Diese drei oder vier Minuten könnten "ein Leben verändern": "Man sollte das also nicht auf die leichte Schulter nehmen."
Der erste Auftritt der Foals nach ihrer großen Preisverleihungs-Nacht hat übrigens keinen völligen Ausbruch gezeigt: "Two Steps, Twice" heißt der Song, bei dem Philippakis üblicherweise ein verschwitztes Bad in der Menge nimmt. Diesmal blieb er auf der Bühne. Ob es das etwas übersteuerte Bassgewitter in der Münchner Halle war oder der Kater vom Vorabend - es ist eben nicht jeder Konzertabend eine Seifenblase, in der man sich ausleben möchte. Das wäre wohl zu viel Kalkulation. Vielleicht klappt es am 8. November wieder. Dann spielen die Foals im Kölner E-Werk.
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