Die Milliardärin und der Gigolo

Deutschlands reichste Frau suchte Zärtlichkeit und tappte in die Falle von Kriminellen. Der Schweizer Frauen-Verführer Helg Sgarbi erpresste die verheiratete Mutter von drei Kindern mit Fotos von gemeinsamen Treffen. Die Affäre ist ein Skandal für die diskrete Quandt-Dynastie.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Deutschlands reichste Frau suchte Zärtlichkeit und tappte in die Falle von Kriminellen. Der Schweizer Frauen-Verführer Helg Sgarbi erpresste die verheiratete Mutter von drei Kindern mit Fotos von gemeinsamen Treffen. Die Affäre ist ein Skandal für die diskrete Quandt-Dynastie.

Die reichste Frau der Republik ist Opfer einer Sex-Erpressung geworden. Susanne Klatten (46), BMW-Großaktionärin, geschätzte zehn Milliarden Euro schwer, verheiratet, drei Kinder, hat sich mit einem Gigolo getroffen. Doch der entpuppte sich nicht nur als Lover – sondern als Krimineller. Nachdem er sie um einige Millionen erleicherte hatte, erpresste er sie mit Fotos aus gemeinsamen Liebes-Stunden. Jetzt sitzt der Mann im Gefängnis. Italienische Medien, die in Besitz der Ermittlungsakten sind, schildern jetzt den sensationellen Kriminalfall. Die AZ erzählt die Geschichte einer verschwiegenen Milliardärin, die Liebe suchte – und Opfer einer Casanova-Bande wurde.

Der Mann für gewisse Stunden heißt Helg Sgarbi (41), ist dunkelblond, Schweizer – und verheiratet. Acht Sprachen soll er italienischen Medien zufolge sprechen. Sgarbi wuchs in Winterthur auf, arbeitete als Prokurist in einer Bank und eröffnete im September 2005 eine Dolmetscher-Firma im Städtchen Uznach im Kanton St.Gallen. Der Name Sgarbi stammt von seiner Frau Gabriele – früher hieß er Russak. Wegen Betrugs ist er vorbestraft.

An der Hotelbar lernten sie sich kennen

Sein Komplize ist Ernano Barretta (63), Italiener, Chef einer Sekte, der Krebskranken Heilung verspricht und sie so um ihr Geld betrügt. Barretta gibt an, Sgarbi „seit der Kindheit“ zu kennen. Gemeinsam zocken sie wohlhabende Frauen ab. Ihre Methode: Der charmante Sgarbi geht eine Liaison mit den Damen ein. Als Liebesnest wählen die Gauner Hotelzimmer. Während Sgarbi sich mit seinen Opfern vergnügt, filmt Barretta vom Nebenraum alles. Mit seinem Material erpressen sie die Frauen.

Am 17. August 2007 lernt Sgarbi Deutschlands reichste Frau an einer Hotelbar kennen. Sgarbi erzählt Susanne Klatten, dass er Probleme mit der italo-amerikanischen Mafia habe und dringend Geld brauche. „Er war sehr gentleman-like, war aber auch sehr traurig. Daraus entstand ein Gefühl der Solidarität. So entstand unsere Freundschaft und unsere Beziehung“, sagte Klatten nach Informationen der italienischen Zeitung „Il Giornale“ später gegenüber der Polizei aus. Am 21. August, so „Il Giornale“, treffen sich Klatten und ihr Gigolo zum ersten Mal zum Sex – im Münchner Hotel „Holiday Inn“. Während sie sich auf Zimmer 629 vergnügen, sitzt Sgarbis Komplize mit seiner Kamera in Zimmer 630 und hält drauf.

7,5 Millionen - in 200-Euro-Scheinen

Am 11. September 2007 übergibt Klatten ihrem Lover in der Tiefgarage des „Holiday Inn“ zum ersten Mal Geld – freiwillig. 7,5 Millionen in 200-Euro-Scheinen. Hilfsgelder gegen die böse Mafia.

Im Oktober beendet Klatten die Beziehung. Sie denkt, die Sache ist damit erledigt. Doch am 2. November schickt ihr Sgarbi einen Brief mit Fotos von gemeinsamen Treffen. Seine Botschaft ist klar: Zahl’ 40 Millionen Euro - oder ich lasse alles auffliegen! Sogar von einer DVD mit Filmaufnahmen berichten die italienischen Zeitungen. Ob es wirklich Filme gibt, ist bislang jedoch völlig unklar.

Im Januar 2008 tritt Susanne Klatten die Flucht nach vorn an: Sie geht zur Polizei. „Sie hat konsequent und ohne Rücksicht auf die für sie unangenehmen Folgen Anzeige erstattet“, sagt ihr Sprecher zur AZ. Die Anzeige sei nötig gewesen, „weil sie erkannte, dass die Beziehung zu Herrn S. einen ausschließlich kriminellen Hintergrund hatte. Das Ziel war von Anfang an, sie zu betrügen und Geld zu erpressen.“

Der Liebes-Krimi nimmt nach der Anzeige seinen Lauf: In der Tiefgarage eines Hotels im Tiroler Ferienort Vomp sollte Klatten ihrem Ex-Gigolo und dessen Komplizen am 14. Januar das Geld übergeben. Statt Klatten warten aber Polizisten auf Sgarbi und Barretta. Sie werden festgenommen.

Mit den erpressten Millionen finanzierten sich die Gauner ihr schönes Leben

In Italien durchsuchen Beamte Barrettas Haus bei Pescara und finden heraus, dass das Gauner-Duo seine erpressten Millionen bereits investiert hat: in luxuriöse Häuser, Ländereien und Luxus-Autos. Bei Barretta finden die Ermittler nach Informationen von „La Repubblica“ einen Lamborghini, einen Ferrari, einen Rolls Royce Silver Shadow und eine weitere Limousine. Dort finden sie auch zwei Millionen Euro in bar. Offenbar haben Barretta und Sgarbi erst spät kapiert, welche Frau sie da erpressen. „Il Giornale“ zitiert aus einem Telefon-Mitschnitt der Staatsanwälte. Barretta sagt da einem Freund: „Weißt du, wer sie ist? Die reichste Frau Deutschlands! Sie hat eine enorme Macht, Leibwächter, wenn du dich näherst. Adressen, Telefonnummern, Fotos – alles habe ich verbrannt. Ich habe den größten Fehler meines Lebens begangen!“

Mittlerweile sitzen die Gauner im Knast: Barretta in Italien, Sgarbi in München. Der Münchner Oberstaatsanwalt Anton Winkler bestätigt, dass ein Verfahren gegen Sgarbi läuft, zum Inhalt des Verfahrens macht er keine Angaben.

Sie kommen vor Gericht – doch das Opfer heißt Susanne Klatten. Ihren Mann Jan hat sie einst bei einem BMW-Praktikum kennengelernt. Dort heuerte Klatten unter falschem Namen an – weil sie nicht wollte, dass man sie wegen ihres Mädchen-Namens Quandt erkennt. Das Paar, das mittlerweile drei Kinder hat, lebt völlig zurückgezogen.

Die Quandt-Dynastie

Durch die Affäre steht jetzt auch der Name von Susanne Klattens Familie auf dem Spiel. Die Quandt-Dynastie gilt als ebenso reich wie schweigsam. Ihr Vermögen wird auf 20 Milliarden Euro geschätzt. Es geht auf den brandenburgischen Tuchfabrikanten Emil Quandt (1849–1925) zurück. Der Quandt’sche Reichtum wuchs unter anderem durch Rüstungsproduktion im Ersten und Zweiten Weltkrieg – mithilfe von Zwangsarbeitern. Zum Imperium zählten der Batterien-Hersteller Varta, später Anteile an Daimler-Benz und BMW sowie die Industriewerke Karlsruhe-Augsburg (heute Kuka). Quandt-Nachfahrin Susanne Klatten versuchte sich unter anderem relativ erfolglos bei Altana als Unternehmerin, ihre Großcousine Gabriele Quandt, Tochter des 1967 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Harald Quandt, heiratete den Wörterbuch-Erben Florian Langenscheidt.

Thomas Gautier, Volker ter Haseborg

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