Die lange Nacht im Hippodrom

Laut, voll, aufgedreht – und wunderbar: Im Zelt von Sepp Krätz wird der Wiesn-Auftakt gefeiert
von  Abendzeitung
Feiern den Wiesn-Auftakt: Michaela May  und ihr Mann Bernd Schadewald.
Feiern den Wiesn-Auftakt: Michaela May und ihr Mann Bernd Schadewald. © dpa

Laut, voll, aufgedreht – und wunderbar: Im Zelt von Sepp Krätz wird der Wiesn-Auftakt gefeiert

Kurz nach 17 Uhr ist Marie-Luise Marjan selig. Ihre Augen leuchten, gerade hat sie eine Maß bekommen. Ihre erste. Früh morgens ist sie von Köln mit dem Zug hierher gekommen, viereinhalb Stunden Fahrt. Nun steht die Schauspielerin im Hippodrom, um sie herum schweben Musikfetzen, die sich vermischen mit Rauch und Stimmen und Lachen, und Marie-Luis Marjan blickt umher und sagt: „Es ist wunderbar“.

Da hat sie recht. Im Hippodrom ist es an diesem Samstagabend wunderbar. Wunderbar laut, wunderbar voll, wunderbar aufgedreht – so, wie es an einem ordentlichen ersten Wiesntag eben sein muss, an dem schon morgens früh die Menschen draußen in langen Reihen vor den Türen stehen und drängen und darauf warten, endlich rein zu kommen.

Drinnen wird gefeiert, wird getrunken, wird getanzt. Auf den Bänken, an den Seiten, in den Boxen. In die kommt nur, wer entweder vor Ewigkeiten einen Tisch reserviert hat – oder zu den Glücklichen zählt und eine persönliche Einladung von Birgitt Wolff-Baumgartl und Sepp Krätz im Briefkasten gefunden hat. Traditionell laden die beiden immer am ersten Wiesn-Abend zum gemütlichen Hendl-Essen ein – für die Promis schöner Anlass, sich auf den Wiesn-Wahnsinn einzustimmen.

Das tun sie auch. Schauspieler Michael Brandner sitzt in einer Ecke, säbelt im Fleisch. Doreen Dietel überprüft nochmal den Sitz ihres Dirndls, Florian Simbeck, gestärkt durch was auch immer, trägt seine Frau Stephanie auf den Armen, Michaela May posiert für die Fotografen mit einer vollen Maß, setzt sie ab, sagt: „Genug jetzt“ – und nimmt einen tiefen Schluck.

Den gönnt sich auch Florian Langenscheidt, der alleine gekommen ist, im festen Willen, sich zu amüsieren. Wenn es sein muss bis zur Erschöpfung. Dieser Abend im Hippodrom ist sein erster und letzter auf der Wiesn. Für dieses Jahr. „Morgen fliege ich für vier Wochen nach Peru“, erzählt der Verleger. Eine Pressereise, Langenscheidt ist auch Reiseautor.

Jetzt aber ist Wiesn. Langenscheidt greift sich eine volle Maß, der Abend ist lang, der Morgen fern. Irgendwo weiter hinten sitzt Marie-Luise Marjan, ihr Mund bewegt sich, aber man versteht sie nicht. Man sieht nur ihre Augen. Sie leuchten.

Jan Chaberny

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