„Deutschland ist ein Comedy-Sozialhilfe-Land“
Der Komiker Michael Mittermeier über anspruchsvolleren Humor im Ausland, die Musik von Helene Fischer und seine große Angst vor Zombies
AZ: Schon erholt vom Oktoberfest? Das muss das Eldorado für einen Comedian gewesen sein, dessen aktuelles Programm sich „Blackout“ nennt.
MICHAEL MITTERMEIER: Allerdings, ich liebe dieses erste staatlich organisierte Massen-Blackout der Geschichte. Ich glaube, das Oktoberfest ist dafür da, uns Bayern die Weltherrschaft zu bringen. Die Festzelte, die du mittlerweile in jedem Land der Welt findest, sind unsere trojanischen Pferde. Da sitzen unsere besten Kampftrinker drin und wenn der Schlachtruf „Leberkäse“ ertönt, schlagen sie zu. Ich find’s immer wieder herrlich, eigentlich könnte man zwei Stunden lang Programm nur über die Wiesn machen.
Welche jüngsten Anekdoten kämen denn darin vor?
Zum Beispiel der Typ, den ich mittags um 12 Uhr auf’m Klo getroffen habe. Der war so hacke dicht, dass er sich mit beiden Händen am Waschbecken festhielt und stammelte, dass er das Becken halten müsse, damit es nicht runterfällt. Mein Programm lebt davon, dass ich solche Alltagssituationen filtere. Egal wo ich bin, oder was ich mache, den besten Stoff bekomme ich meistens auf dem Silbertablett serviert. So wie gerade im Ibiza-Urlaub, wo ich in der Strandbar einen dicken Russen mit einer dicken Russin an seiner Seite erlebt habe. Ein anderer würde sich dabei nichts denken. Ich denke mir: Die Sanktionen scheinen zu wirken, wenn sich die Jungs keine scharfen Bräute mehr leisten können.
Klingt, als wenn Ihre Recherchen sehr promillehaltig wären. Wann hatten Sie Ihren letzten Blackout?
Blackouts kommen auf der Bühne immer wieder mal vor. Aber nicht alkoholbedingt, sondern weil ich zu faul zum Text lernen bin. Alkohol und Drogen funktionieren überhaupt nicht auf der Bühne. Es hat zwar schon Kollegen gegeben, die sich ohne Hilfsmittel nicht auf die Bühne trauten, aber bessere Kunst macht keiner im Rausch. Sogar Eric Clapton hat im Nachhinein zugegeben, dass er prall nie so gut war, wie nüchtern.
Muss man nicht prall sein, um als erfolgreicher deutscher Comedian ein Jahr lang für ein Taschengeld durch die Kleinkunstbühnen von London, New York, Montreal, Dublin, Kapstadt und Edinburgh zu tingeln?
Es reicht, wenn man wahnsinnig ist. (lacht) Das ist schon klar, ein normaler Mensch würde das nicht machen. Aber mir ging es um die Herausforderung. Ich habe hierzulande alle Größen gespielt und mehr erreicht als ich mir je erträumt habe, durfte sogar schon mit Jerry Lewis die Bühne teilen. Das ist wie mit dem Maler, den es weitertreibt. Die Beatles sind nach Indien, ich bin nach England. Weil Englisch für mich die Muttersprache der Stand-up-Comedy ist. Und irgendwann werde ich bestimmt auch nach Indien gehen. Und ich bin sicher, das wird lustig.
Lieber Kunst als Kommerz?
Unbedingt! Ich glaube an die gute Energie und an Kismet. Alles was du tust, kommt auf dich zurück. Und auf der Bühne geht es um Leidenschaft, um Herz und um Feuer. Ich brenne einfach auf der Bühne. Und das möchte ich mir bewahren.
Können Sie das auf einer englischsprachigen Bühne genauso rüber bringen?
Mittlerweile ist mir das gelungen. Natürlich hört man, dass ich Ausländer bin. Aber das ist egal. Meine Nationalität verliert sich in der Nummer. Ich glaube, Humor braucht keinen Reisepass.
Kommt Ihnen da zugute, dass Sie einst Ihre Magisterarbeit über „Amerikanische Stand-up-Comedy“ verfassten?
Ich habe deswegen kein besseres Gespür für amerikanischen Humor. Man kann Humor in keine wissenschaftlichen Formeln packen. Man kann auch nicht lernen, lustig zu sein. Es gibt zwar eine Menge Arbeiter auf der Bühne, die machen ihr Programm nach Schema „A + B = C“, aber das war’s dann auch. Das mag begrenzt funktionieren, aber die wissen selber auch, dass das immer nur eine halbgare Nummer sein wird und sie froh sein können, so lange sie nicht auffliegen. Helene Fischer glaubt doch auch nicht wirklich, dass das richtig gute Musik ist, was sie da macht. Die lacht sich wahrscheinlich mit ihrem Flori kaputt, wenn die Zuhause in ihrem Kämmerchen hocken.
Bringen Sie im Ausland die gleichen Gags wie in Deutschland?
Das kann ich nicht eins zu eins übersetzen, sondern muss ich immer den jeweiligen Gegebenheiten anpassen. Klar, dass in Australien keiner die FDP kennt oder in L.A. niemand weiß, wer Helene Fischer ist. Aber wenn ich übers Oktoberfest und Porno-Dirndl spreche, dann lachen sie in der ganzen Welt. Sehr gut kommt auch an, wenn ich mich als Deutscher über Deutsche lustig mache.
Konnten Sie eine internationale Typologie des Humors feststellen?
Was mir auffiel, ist, dass die angeblich so prüden Amis bei besonders schweinischen Witzen am lautesten lachen. Ansonsten tue ich mich schwer mit solchen Schubladen, denn ich glaube, Humor ist universal. Generell gilt vor allem eins: So einfach wie in Deutschland funktioniert es in England oder USA nicht. Verglichen mit denen ist Deutschland ein Comedy-Sozialhilfe-Land. Hier bekommt jeder, der viermal lustig umfällt, eine Comedy-Sendung. Wenn Du in England als Comedian auftrittst, dann musst du dem Titel schon gerecht werden. Sonst machen die dich fertig.
Schon mal passiert?
In einem Club in Südafrika hat mir ein Engländer Prügel angedroht, weil ich mich in einer Nummer über seine Landsleute lustig gemacht habe. Der fand das nicht komisch und war leider auch einen Kopf größer als ich. Ich habe dann all meinen Mut zusammen genommen und ihn verbal fertig gemacht. Seine Freunde fanden das so gut, dass sie ihn zurück hielten und meinten: „Hey, der Typ ist lustiger als du. Zoll ihm Respekt!“ Du musst schlagfertig sein und improvisieren können. Darum geht’s. Wenn du um zwei Uhr nachts in Edinburgh vor 200 Besoffenen, wohlgemerkt Genickbruch-Besoffenen, auftrittst, dann gibt es kein Pardon, da muss jede Pointe sitzen.
Was war für Sie die wichtigste Etappe?
Neben Dublin, fand ich London spannend. Zum einen, weil ich dort mit dem legendären Eddie Izzard arbeiten durfte und zum anderen, weil die Messlatte nirgends höher ist. Die bringen es fertig und gehen einfach raus, wenn es ihnen nicht gefällt. Aber ich hab’ sie geknackt und da bin ich wirklich stolz drauf.
Was sagt Ihre Frau dazu, dass Sie durch die Welt tingeln und lieber Kunst machen, anstatt Kohle heimzubringen?
Die weiß schon, dass sie keinen Sesselpupser geheiratet hat. Da meine Frau selber Künstlerin ist, versteht sie, was es bedeutet, wenn man seiner Leidenschaft folgt. Sie steht voll hinter mir, so lange ich sie nicht länger als zwei Wochen mit unserer Tochter alleine lasse. Wir haben uns vor und nach jeder Tour immer gesehen. Nur während des jeweiligen Gastspiels kann ich niemand um mich haben, da kann ich mitunter sehr unleidig sein.
Bedienen Sie das Klischee des schwermütigen Clowns?
Wir Comedians sind eher stille Menschen. Einfach, weil wir tief reinschauen und weitgehen. Ich kenne die andere Seite und weiß, wie es ist, im Leben zu weit zu gehen. Finde ich aber besser, als die Kollegen, die privat dauernd den Kasperl mimen, weil sie es auf der Bühne nicht rocken.
Ist es dem Liebesleben zuträglich, wenn man Humor hat?
Humor scheint schon ein Dosenöffner zu sein. Aber deswegen werden die Witze des buckligen Einäugigen die Herzen der Frauen trotzdem nicht höher schlagen lassen. Ich denke, es ist schon besser, wenn man wie George Clooney nicht nur witzig ist, sondern dabei auch noch gut ausschaut. Oder wenn man, wie Herr Maschmeyer, mit beidem nicht dienen kann, können auch ein paar gut dotierte Bausparverträge helfen, um das Herz einer Kartoffelprinzessin zu erobern.
Klingt alles sehr selbstbewusst, Herr Mittermeier. Gibt es auch etwas, was Sie aus der Bahn schmeißt?
Zombies! Ich leide unter einer Zombie-Phobie. Das ist leider kein Witz. Manche Nächte sind echt furchtbar, weil ich ständig aufstehe und Fenster und Türen kontrolliere. Für mich ist das einzig vorstellbare Weltuntergangs-Szenario, eine Zombie-Epidemie. Ich bin überzeugt davon, dass sich die Menschheit am Schluss in zwei Gruppen teilen wird: Die Stehenbleiber und Wegrenner.
Zu welcher gehören Sie?
Eigentlich bin ich immer ein Steher gewesen. Aber ich glaube, wenn die Zombies kommen, werde ich den kleinen Michi einziehen und zum ersten Mal im Leben vor etwas davonlaufen.
Nach anderthalb Jahren Live-Tour in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie englischsprachigen Auftritten in England und den USA gibt es Michael Mittermeier für daheim: Blackout – die Live Show auf DVD.