Der Urwald-Oscar goes to... Giulia Siegel!
Der Münchner Selbstdarstellerin gelingt eine perfekt inszenierte Flucht. Psychologin: „Sie agiert kindisch und pubertär.“
Kate Winslet, Angelina Jolie und Meryl Streep? Laien! An die Wand gespielt von einer Münchnerin, die man im Grunde genommen für die Oscars 2009 nachnominieren müsste - als beste Selbstdarstellerin: Es ist Giulia Siegel, ungekrönte Dschungelkönigin, die ihren Urwald-Urlaub meisterlich inszenierte, rund 300 Millionen angebliche Phobien öffentlichkeitswirksam überwand und sich am Ende wegen eines Rückenleidens theatralisch wie ein Erdbebenopfer abtransportieren ließ.
Die Reaktionen auf abendzeitung.de folgten prompt: „Endlich!“, jubelt eine Kommentatorin, „Alles nur Show, sie wäre sowieso rausgewählt worden, da ging sie lieber selbst, um sich der Schmach nicht auszusetzen“, meint er anderer. Oder auch: „Wenn die Siegel keine Aufmerksamkeit bekommt, verschwindet sie einfach.“
Acht Zentimeter hohe Stöckelschuhe trotz Rückenproblemen?
Dazu passt, dass die desertierte Blondine ihre rein zufällig griffbereiten Röntgenbilder sogleich an ausgewählte Medien verteilte und am Freitag Interviews am laufenden Band gab, um, wenn schon nicht die Dschungelkrone, so doch wenigstens die Deutungshoheit zu erringen: Sie sei die einzige Ehrliche unter den Kandidaten gewesen, alle anderen hätten nur gelogen und geheuchelt, gibt die Camp-Überlebende erwartungsgemäß zu Protokoll.
Doch auch danach ging die große Siegel-Show weiter: So ließ sie sich etwa beim Essen von kakerlakenarmer Kost filmen, beim Schminken und beim Gequält dreinschauen. Für echte Verwunderung sorgte aber, dass die Playbock-Nackerte mit acht Zentimeter hohen High Heels durch eine Hotel-Lobby stöckelte - vielleicht nicht gerade das passende Schuhwerk für eine Frau, die wenige Stunden zuvor noch den Eindruck erweckt hatte, sie stünde wegen akuter Rückenschmerzen kurz vor der Notschlachtung. Oder waren die am Ende auch nur Teil ihrer „leading role“, wie es im Oscar-Jargon heißt?
"Der Dschungel als Therapie ist gescheitert“
Möglicherweise sind die Leiden aber auch weniger physisch bedingt: „Eine fundierte psychologische Beratung würde sie weiterbringen, ihre eigene Position zu finden“, sagt die Münchner Psychologin Dorothea Böhm. „Der Dschungel als Therapie ist gescheitert.“ Dass (Be)-handlungsbedarf besteht, hatte auch schon Siegels Rivalin Ingrid van Bergen vermutet - spätestens als Giulia bei ihrem Abgang im Regen allen Ernstes behauptete, dass der Himmel Tränen vergieße.
Expertin Böhm sieht eine „offene Egozentrik und Realitätsflucht mit familiären Ursachen“: da sei der erfolgreiche Vater, aus dessen Schatten die 34-jährige Ein-bisschen-Berufstätige treten wolle, „egal mit welcher Aktion“ - aber auch die fast altersgleiche und charismatische Stiefmutter Kriemhild Jahn. „Da versucht sie sich abzuheben, agiert kindisch und legt ein pubertäres Verhalten an den Tag.“
Nachdem Siegel die Segel strich, ist im Dschungel jedenfalls die große Harmonie ausgebrochen. Alle haben sich lieb, machen sich gegenseitig die Haare - und fast könnte man den Eindruck gewinnen, Nico Schwanz würde sich Lorielle London krallen, hätte die nicht ebenfalls (noch) ein gleichnamiges Anhängsel.
Timo Lokoschat
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