Der Depri-Bambi

Kinderchöre, Naturkatastrophen, Geigen, Kerzen und fünf Fußballfelder Tropenholz, die jeden Tag verschwinden: Die Verleihung des Medienpreises gerät zur dreieinhalbstündigen Mahnwache
von  Abendzeitung
Amerikanisch-bajuwarischer Dialog: Sarah Jessica Parker und Michael Mittermeier.
Amerikanisch-bajuwarischer Dialog: Sarah Jessica Parker und Michael Mittermeier. © AP

Kinderchöre, Naturkatastrophen, Geigen, Kerzen und fünf Fußballfelder Tropenholz, die jeden Tag verschwinden: Die Verleihung des Medienpreises gerät zur dreieinhalbstündigen Mahnwache

Orlando Bloom spricht von „Cholera, Durchfall und anderen Erkrankungen“, Hannes Jaenicke rechnet vor, dass in Indonesien „jeden Tag fünf Fußballfelder Tropenholz verschwinden“ und Jogi Löw referiert über „Grundwerte, an denen wir uns orientiert haben“. Millionen Fernsehzuschauer müssen sich gestern wie im falschen Film vorgekommen sein.

Müssen sich gefragt haben, was aus der herrlich oberflächlichen, aber trotzdem irgendwie unterhaltsamen Veranstaltung der vergangenen Jahre geworden ist. Antwort: eine dreieinhalbstündige Mahnwache, die so viel geballtes Gutmenschentum inszenierte, dass wohl selbst ein Mahatma Gandhi beschämt aus dem Saal geschlichen wäre.

Da ging es um mehr Naturkatastrophen als in der „Tagesschau“ vor der Sendung, pausenlos wurden unschuldige Kinder auf die Bühne geschickt, Kerzen angezündet, Geigen malträtiert. Das häufigste Adjektiv des Abends lautete „engagiert“.

So gab es erstmals einen „Unsere Erde“-Preis: Den bekam die Affenforscherin Jane Goodall, die Schimpansenlaute imitierte und damit zwei andere Preisträger rhetorisch locker in den Schatten stellte: Jogi Löw und Mesut Özil nämlich, die leider hölzern und staatstragend ihre Reden vom Teleprompter ablasen („Bundestrainer Joachim Löw hat mir das Vertrauen geschenkt und dafür bin ich dankbar“).

„Hinterm Lebenswerk geht’s weiter“

Am glanzvollsten war noch der Auftritt von Sex-and-the-City-Star Sarah Jessica Parker, die gekonnt so tat als würde sie Michael Mittermeier und „Alarm für Cobra 11“ kennen und mit den Worten „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ über die Bühne stöckelte. Dass die Verleihung in Potsdam stattfand, schien ihr entgangen zu sein.

Nach einem „Spezialisten für das Bergen von Verschütteten“ und einem „Trinkwasseraufbereiter“ war Udo Lindenberg mit dem Geehrt-Sein an der Reihe, kommentierte dies lässig mit den Worten „Hinterm Lebenswerk geht’s weiter“ und ritt auf seinem Reh davon. Ein Höhepunkt.

2011, liebe Veranstalter, könnte doch bitte wieder Jopie Heesters (106) auftreten, der inzwischen mehr Bambis als Hellabrunn besitzt, für unverkrampfte Stimmung sorgt und obendrein kein Playback braucht.

Timo Lokoschat

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