Das Leben des Großverlegers

Er gibt 350 Zeitschriften heraus und ist mit einem Jahresumsatz von 2,7 Milliarden Euro einer der mächtigsten Verleger Deutschlands ("Bunte", "Focus", "Freundin" etc.). Er ist auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ebenso präsent wie auf dem roten Teppich, beispielsweise wenn sein Medienimperium alljährlich den deutschen Oscar, den Bambi, an nationale und internationale Stars verleiht. Dann betritt Hubert Burda, ein promovierter Kunsthistoriker, die große Entertainmentbühne, meist an der Seite seiner Ehefrau Maria Furtwängler (48), eine der profiliertesten deutschen Schauspielerinnen (u.a. "Tatort").
Anlässlich seines 75. Geburtstags (am 9. Februar) gab Hubert Burda dem "Süddeutsche Zeitung Magazin" ein bemerkenswertes Interview, in dem er erstaunlich offen von seiner Familie, seinen Freunden, Kollegen und Geschäftspartnern spricht.
Über seine Kindheit
Hubert Burda wuchs ziemlich einsam auf, sein Vater arbeitete 16 Stunden am Tag, seine Mutter Aenne baute ihr weltweites Zeitschriftennetz "Burda Moden" auf. Hubert Burda: "Es ist doch etwas Herrliches, ein einsames Kind zu sein! Was du alles aufsaugen kannst, welche Kreativität du entwickeln kannst. Ich hatte noch nie ein Problem mit der Einsamkeit."
Über seinen Vater
Dr. Franz Burda hatte wie ein strenger Patriarch das Zeitschriftenunternehmen in Offenburg aufgebaut ("Der Vater war bockelhart gegen mich und hat mich teilweise vor versammelter Mannschaft zur Sau gemacht... Für ihn war ich ein komplizierter, umständlicher Kerl, der dauernd Fehler machte"). Neben seinem Geschäftsinstinkt und seiner Arbeitswut war Franz Burda für seine amouröse Umtriebigkeit bekannt, u.a. schwängerte er seine Sekretärin und machte sie dann zur Chefredakteurin, die später von der Ehefrau Aenne Burda gefeuert wurde.
Hubert Burda: "Er hatte nicht mehr Affären als andere Einflussreiche und ging damit relativ locker um. Liebschaften gehörten für ihn zur Kreativität und guten Laune, so wie die Schubert-Lieder, die er morgens beim Aufstehen sang. Ich glaubte, er liebte Picasso deswegen so sehr, weil der ein Weltmeister im Fremdgehen war und mit all diesen schönen Frauen so gut vorwärts kam."
Über seine älteren Brüder Franz und Frieder, die ebenfalls im väterlichen Unternehmen tätig waren
Sein Berater und Freund, der Ästhetik-Professor Bazon Brock, ließ dem jungen Hubert Burda vom "Spiegel"-Herausgeber Augstein ausrichten: "Der Rudolf sagt, wenn dein Vater stirbt, bringen dich deine beiden Brüder um." Burda: "Diese Prophezeiung blieb mir im Kopf. Nach dem Tod des Vaters herrschte tatsächlich Krieg. Um den zu beenden, haben wir das Erbe in drei Teile geteilt. Im Rückblick war die Realteilung das Beste, was uns passieren konnte."
Seine Ehefrau
1991 heiratete Hubert Burda die 26 Jahre jüngere Ärztin und Schauspielerin Maria Furtwängler, eine Großnichte des weltberühmten Dirigenten Wilhelm Furtwängler. Hubert Burda: "Nach dem Standesamt sind wir zu Fuß durch den Englischen Garten zum Essen gegangen. Maria wollte ja nichts Großes, keine Kutsche, nichts. Meine Mutter kam im Auto hinterher. So richtige Hochzeitseuphorie ist dann nicht entstanden, es knallten keine Sektkorken. Die Mutter und Maria haben sich erst ganz am Schluss verstanden. Im Grunde war meine Mutter gegen alle Frauen, die ich anbrachte."
Seine Freunde
Hubert Burda pflegt weltweit Freundschaften zu bekannten Künstlern und Autoren. Der streitbare österreichische Schriftsteller Peter Handke ist sein Trauzeuge. Ein Mann, der nie und vor niemanden ein Blatt vor den Mund nimmt und einmal gesagt hat: "Es gibt keinen, den ich nicht in zehn Minuten bis an sein Lebensende gedemütigt hätte", gilt als sein bester Freund. Hubert Burda: "Es gibt niemanden, der einen besser schauen und staunen lehrt als der Peter. Der größte Feind des Lebendigen ist die Routine: Kenn ich schon, weiß ich schon - deine Urteile sind fertig. Das ist der Tod. Die Welt muss immer wieder fremd für dich werden - und dann kippt sie um. Was Handke 'Umsprungsbilder' nennt, ist das, was ich im Leben suche. Gelingt diese Suche, bin ich glückselig. Außerdem verdanke ich dem Peter, dass ich nicht längst einen Herzinfarkt hatte. Seit ich 1979 seine Erzählung 'Langsame Heimkehr' gelesen habe, versuche ich, mein Leben zu dezelerieren, heute würde man sagen: zu entschleunigen."
Seine Geschäftspartner
Mit dem Australier Rupert Murdoch, dem mittlerweile größten und mächtigsten Verleger der Welt, gab Hubert Burda in Berlin die "Super!"-Zeitung heraus, ein Projekt, das ihn 70 Millionen D-Mark und beinahe sein Unternehmen gekostet hat. Burda: "Aber lustig ist ja, dass ich Anfang 1991 mit Murdoch Taxi gefahren bin und er nicht einmal das Geld hatte, den Fahrer zu bezahlen. Das war der Mann, der heute die Medienwelt beherrscht. Als wir uns vor drei Jahren beim Weltwirtschaftsforum in Davos über den Weg liefen, deutete er auf mich und sagte zu seiner Frau: Wendy, this is my best friend ever. Ich habe gedacht, ja, für siebzig Millionen kann man so was sagen. Das ist die teuerste Freundschaft meines Lebens."
Über seine Körpergröße
Hubert Burda misst nur 1,70 Meter. Kein Manko, wie er findet, im Gegenteil: "Großgewachsene Menschen müssen nicht den Ehrgeiz entwickeln, hochzuspringen. Es kann ein schweres Handicap sein, 1,85 Meter groß zu sein und saugut auszusehen... Ich habe einem Reporter mal das Thema gegeben: die Tragik des älter werdenden, gut aussehenden Mannes. Da kenne ich Beispiel um Beispiel. Die hatten es alle zu leicht. Denen fehlten die innere Kraft und der Biss."
Über seine Grundeinstellung
"Ich bin oft mit schwersten Verletzungen auf die Schnauze gefallen, aber immer wieder aufgestanden. Da ich in meiner Jugend geboxt habe, habe ich mir immer gesagt: Doppeldeckung! Irgendwann hören die Schläge auf. Und dann schau, dass du einen Haken anbringen kannst."
Über seine Freizeit
"Abendgesellschaften meide ich, denn es kann nicht meine Feierabendbeschäftigung sein, dass Leute mit mir erörtern wollen, was ich von den Geschichten in der letzten Bunten halte. Wenn ich um zehn ins Bett gehe, bin ich um fünf auf. Dann lese ich Gedichte, im Monet von Philippe Jaccottet, oder Prosa von Handke... Der Peter ist derjenige, bei dem ich zur Ruhe komme."
Über das Sterben
Hubert Burda hat einmal gesagt, dass "Sterben lernen" ihn im Innersten beschäftige. "Das ist die einzige Weisheit, die man im Leben erreichen kann. Die eigentliche Lebenskunst ist, dass dein Leben nicht auf der Intensivstation endet, sondern mit einer Überfahrt. Für diese Überfahrt musst du dich vorbereiten. Ich fülle mich mit Bildern und Poesie auf, um Proviant für das andere Ufer zu haben." Die Inschrift auf seinem Grabstein solle daher lauten: "Plus ultra! Immer weiter!"