Interview

Cleo Kretschmer über Lebensliebe Klaus Lemke: "Wir waren füreinander bestimmt"

Cleo Kretschmer im AZ-Gespräch zum 70. über ihre Lebensliebe Klaus Lemke, warum sie seit 22 Jahren keinen Kontakt haben - und wie es ihr nach dem Gehirn-Aneurysma in ihrem neuen Landleben geht.
von  Kimberly Hagen
Cleo Kretschmer im Februar 2015.
Cleo Kretschmer im Februar 2015. © imago/Lindenthaler

München - Einmal München - und zurück: Cleo Kretschmer, die als Ingeborg Maria im niederbayerischen Wegscheid auf die Welt kam, lebte ab dem elften Lebensjahr in München und wurde später beim Feiern von Regisseur Klaus Lemke entdeckt.

Filme wie "Idole" und "Arabische Nächte" wurden zum Publikumsliebling - genauso wie Cleo. Als sie mit 47 nur knapp ein Aneurysma überlebte, zog sie (sich) zurück aufs Land. Heute will sie ihre Ruhe haben - schwierig, so kurz vor ihrem heutigen 70. Geburtstag.

Die AZ wagte einen Anruf.

AZ: Liebe Frau Kretschmer, wollen wir über Sie und Ihren 70. reden?
CLEO KRETSCHMER: Ungern.

So schlimm?
Das Schönste ist, dass ich zu einer Privatperson geworden bin.

Nicht ganz. Es gibt immer noch viele Menschen, die sich für Sie interessieren.
Hmm.

Wie geht's Ihnen mit der 70?
Zum 60. dachte ich, okay, jetzt bin ich im letzten Viertel meines Lebens angekommen. Heute sage ich: Die letzten 22 Jahre waren toll.

"Ja, das war eine sehr interessante Erfahrung, die ich nicht bereue"

Und nicht selbstverständlich. Sie wären damals, vor 22 Jahren, fast gestorben.
Ja, das war eine sehr interessante Erfahrung, die ich nicht bereue. Vorher war ich nur hektisch, ungeduldig - und plötzlich platzt mein Gehirn und ich muss alles von vorne lernen: sprechen, gehen, denken, alles. Sechs Jahre hat der Prozess gedauert. Eine irre lange Zeit. Ich wurde wieder zum Baby, dann langsam zum Kleinkind und schließlich zum Teenager. Schritt für Schritt.

Das klingt sehr beängstigend.
Und dabei war es so eine wertvolle Zeit für mich, die mir den Wert des Lebens neu aufgezeigt hat. Ich war weg aus München, an den Job als Schauspielerin war nicht mehr zu denken und mein Freundeskreis hat sich komplett neu sortiert.

Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek in "Amore"'78.
Cleo Kretschmer und Wolfgang Fierek in "Amore"'78. © imago/United Archives

Ihr Überleben war sehr knapp.
Und wie! Ich war, als das passierte, davor schon sehr, sehr müde. Dann hatte ich einen Geschäftstermin in München, den ich eigentlich absagen wollte. Aber ich bin hin. Zum Glück, denn wäre ich daheim bei mir in Dorfen, wo ich damals frisch hingezogen war, allein mit meinen Katzen gewesen, wäre ich gestorben. So saß ich in einem mexikanischen Restaurant in der Hohenzollernstraße, studierte die Speisekarte und dann wurde mir schwarz vor Augen.

Haben Sie den Tod gespürt?
Es war, als würde das Bild vom Fernseher verschwinden. Zack, aus. Ich spürte den Tod - und ich spürte, ich muss mitgehen. So wie man auf dem Surfbrett die Welle mitnehmen will.

Sie kamen ins Schwabinger Krankenhaus, Intensivstation, Koma, Not-OP am Gehirn. . .
die Ärzte dachten alle, ich sterbe. Meine Überlebenschance lag bei fünf Prozent. Meinem Arzt verdanke ich mein Leben, noch heute schreibe ich ihm zum Geburtstag und zu Weihnachten Briefe.

"Als ich in der Klinik aufwachte, konnte ich nicht sprechen"

Wie fühlte sich der Nahtod an?
Viele haben Albträume, erleiden das Schlimmste. Aber ich spürte eine Heilenergie, eine Wärme und eine Liebe, die sich hier niemand vorstellen kann. Als ich aufwachte, war ich so glücklich und erfüllt. Ich konnte nicht sprechen, wollte mich so gern allen mitteilen. Ich fühlte mich großartig.

Dabei war Ihr Kurzzeitgedächtnis weg, die rechte Seite Ihres Körpers gelähmt.
Ich habe es angenommen, nicht gejammert oder ängstlich reagiert. Vielleicht war das gut. Die meisten Leute haben Angst vorm Sterben und verkrampfen dann. Ich machte Reha bei mir daheim bei meinen Katzen.

Sind Sie glücklich in Ihrem neuen Landleben in Dorfen?
Total, das war die beste Entscheidung. Jetzt durch Corona zieht es ja mehr Menschen aufs Land, ich hatte diese Erleuchtung halt schon früher.

Ist München so furchtbar?
Alles zu seiner Zeit. Ich habe alles erlebt, gefeiert, gedreht. Eine verrückte Sache muss ich Ihnen noch erzählen...

...sehr gerne!
Als ich nach der Gehirn-Geschichte im Krankenhaus wieder aufgewacht bin, wissen Sie, welcher Tag das war? Der 13. Oktober - der Geburtstag von Klaus Lemke.

"Er hat mich mit einer Obst-Tüte im Krankenhaus besucht, danach nix mehr"

Der Regisseur, der Sie entdeckte - und liebte. Ein Zeichen!
Ja, gell!?

Gerade hat er in der AZ erzählt, dass Sie beide "schon länger" keinen Kontakt mehr haben.
Schon länger? Das ist gut. Seit 22 Jahren! Er hat mich mit einer Obst-Tüte im Krankenhaus besucht, danach nix mehr.

Ist das nicht schade?
Ich wollte ihm zum 80. gratulieren, hatte aber eine alte Nummer. Wie geht's ihm so?

Gut. Er hat erzählt, wie er Sie im Henderson entdeckte, als Sie als Barfrau arbeiteten. . .
. . . der spinnt ja, ich habe nie als Barfrau gearbeitet.

Und er sagte, Sie hätten den hübschesten Po gehabt.
. . . ja, das stimmt (lacht).

Wie war's wirklich?
Eigentlich wollte ich Peppino heiraten, den ich im Italienurlaub kennengelernt habe. Ich war in München, um alle Papiere zu suchen. Nach zwei Wochen ist mir die Decke auf den Kopf gefallen und ich bin mit meiner Freundin Blacky los: bisserl tanzen, feiern. Als wir vor der Disco in der Leopoldstraße ankamen, wie hieß die nur - Big Apple?, naja, egal, da lehnte ein Typ mit Trenchcoat und rosa Nelke im Revers, dazu eine Strasskatze um den Hals und alle Frauen von Uschi Obermaier bis Iris Gras hingen an ihm. Ich fragte Blacky, wer das sei. Sie: Klaus Lemke. Ich: Der Sohn von Robert Lemke? Sie: Nein, der berühmte Regisseur. Oh Gott, dachte ich, den brauch ich nicht.

Er hat sie entdeckt - und geliebt: Regisseur Klaus Lemke mit Cleo Kretschmer als Traumpaar Anfang der 80er Jahre in München.
Er hat sie entdeckt - und geliebt: Regisseur Klaus Lemke mit Cleo Kretschmer als Traumpaar Anfang der 80er Jahre in München. © imago/United Archives

"Ich will keine 80-Jährige werden, die sich junge Liebhaber kauft"

Von wegen.
Drinnen wollte ich an der Bar was bestellen, spürte eine Hand am Knie, drehte mich um und sah in die Augen von Klaus Lemke. Er starrte nur, sagte nix. Dann zog er mich auf die Tanzfläche und wir küssten uns.

Das ging ja schnell.
So war das damals. Ich war 20, er 30. Nach fünf Minuten kam eine Frau, die ihn wegriss. Aber kurz darauf kam er zu mir, sagte, lass uns gehen. Wir fuhren zu ihm und waren seitdem zusammen. Acht oder zehn Jahre.

Sie galten als Traumpaar.
Ja, Klaus und ich waren füreinander bestimmt. Privat, arbeitstechnisch: Zwischen uns war etwas Karmisches.

Wie kann was Karmisches zerbrechen?
Gute Frage. Es ging nicht mehr. Er lebte nicht wie ein Mönch - ich auch nicht. Irgendwann machte ich Schluss und er drehte nicht mehr mit mir.

Sein Stolz war verletzt.
Wahrscheinlich.

Hätten Sie gerne einen Mann in Ihrem Leben?
Naa. Ich will keine 80-Jährige werden, die sich junge Liebhaber kauft. Ich hatte genug Sex und Erotik, das blöde Rumgestöpsel ist nicht mehr wichtig.

Was dann?
Zärtlichkeit, Liebe. Ich liebe mein Leben, die Natur, mich selbst. Bis heute habe ich weder Internet noch Handy - und fühle mich frei. Besser kann's nicht sein.

Cleo und Klaus mit Barbara Valentin (l.) und Christine Zierl (r.) 1981.
Cleo und Klaus mit Barbara Valentin (l.) und Christine Zierl (r.) 1981. © imago/Lindenthaler

"Ich geh spazieren, lächle alle an, die mir begegnen, füttere Raben und Igel"

Also wird der heutige Geburtstag gefeiert?
Mit mir selbst. Ich geh spazieren, lächle alle an, die mir begegnen, füttere Raben und Igel und bestelle mir abends Sushi to go. Am nächsten Tag trinke ich mit meinen Freundinnen Champagner.

Wird Klaus Lemke Sie anrufen und gratulieren?
Sicher nicht. Aber sagen Sie es ihm gern.

Was genau?
Dass er sich bei mir melden soll. Ich würde mich freuen.

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