Christine Neubauer: "Am Ende des Tages sollte man in den Spiegel schauen können"

Christine Neubauer meldet sich mit einem beeindruckenden Film zurück. Im Interview spricht die Schauspielerin über Lebenslügen, Rechtsprechung und Gerechtigkeit.
von  (ili/spot)
Seltener Gast in Talkshows: Schauspielerin Christine Neubauer
Seltener Gast in Talkshows: Schauspielerin Christine Neubauer © imago/Future Image

Es war ein bisschen ruhiger um sie geworden - doch jetzt meldet sich Christine Neubauer mit einem beeindruckenden Film zurück. Im Interview zu "Die Briefe meiner Mutter" spricht die Schauspielerin über Lebenslügen, Rechtsprechung und Gerechtigkeit.

Berlin - Mehr oder weniger freiwillig hat Christine Neubauer (51, "Der kalte Himmel") eine kleine Pause in ihrer TV-Präsenz eingelegt. Umso beeindruckender ist der Film, mit dem sie sich am Samstag zurückmelden wird: "Die Briefe meiner Mutter" (20.15 Uhr, Das Erste) rührt zu Tränen - und das vor allem an einem ganz besonderen filmischen Schauplatz, wie die Schauspielerin, die seit 2012 mit dem chilenischen Fotografen José Campos liiert ist, im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news beschreibt. Sie erklärt außerdem, was diesem Filmzitat noch hinzuzufügen ist: "Chilenische Männer sind temperamentvolle Kämpfer, tolle Tänzer und leidenschaftliche Liebhaber."

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Einen Tag vor ihrem 18. Geburtstag findet Laura Hellmer (Nilam Farooq) heraus, dass ihre von ihnen gespielte Mutter Katharina, eine renommierte Journalistin, sie jahrelang belogen hat: Lauras Vater war kein spanischer Kriegsfotograf, der vor ihrer Geburt starb, er lebt, und zwar vermutlich in Chile... Lebenslügen entstehen oft im Zusammenhang mit Kindern. Warum ist es denn gerade hier so schwer, die Wahrheit zu sagen?

Christine Neubauer: Meine Filmfigur verschont ihre Tochter mit der Wahrheit, weil sie denkt, dass es das Beste für die Tochter ist - in dem Fall kann ich das vollkommen nachvollziehen. Das tut man als Mutter, um sein Kind zu schützen. Wie sich dann ja herausstellen wird, konnte auch die Mutter selbst nur weiterleben, indem sie die Wahrheit verdrängt hat. Für Opfer ist die Verdrängung manchmal überlebensnotwendig. Bei Tätern, die Gräueltaten verrichtet haben, hofft man natürlich nicht, dass die noch gut schlafen können.

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Das Gewissen ist der schärfste Richter - was halten Sie von diesem Satz?

Neubauer: Am schönsten wäre es, wenn man davon ausgehen könnte, dass Richter gerecht sind. Wie viele andere habe aber auch ich als normaler Bauchmenschbürger oft ein anderes Rechtsempfinden als die Rechtsprechung: Zwischen Recht und Recht gibt es noch ein anderes Recht. Am Ende des Tages sollte man in den Spiegel schauen können.

Mutter und Tochter durchleben eine schwere Identitätskrise im heutigen Chile. Warum gibt es kein klassisches Happy End?

Neubauer: Es gibt kein klassisches Happyend, denn damit würde man auch den Menschen nicht gerecht werden, die während Pinochets Militärdiktatur und auch heute noch mit den Folgen leben müssen. Der Film zeigt die Bewältigung eines Einzelschicksals, ohne die Schwere des Stoffes abzutun.

Haben Sie an Originalschauplätzen gedreht?

Neubauer: Ja. Der Folterraum ist Original und sieht heute auch genauso verfallen aus. An anderen Stellen kann man die grausame Geschichte verdrängen und Gebäude als Filmkulisse antun, aber in diesen Räumen hört man die Schreie der Menschen. Dieser Drehtag war kaum zu ertragen. Vielen Menschen vom Filmteam konnten das Gebäude kaum betreten, weil sie ganz persönliche Erfahrungen damit verbinden.

Warum sollte man sich auch im weit entfernten Deutschland mit Chiles Vergangenheit beschäftigen?

Neubauer: Es ist wichtig, weil die Geschichte Chiles stellvertretend ist für eine Militärdiktatur. Für Gedankenfreiheit wurde man bestraft, gefoltert und getötet. Auch vor unserer Haustür gibt es noch Folter und insofern ist es gar nicht mehr so weit weg.

Abgesehen von den ernsten Themen ist der Film auch eine Werbung für chilenische Männer, die als "temperamentvolle Kämpfer, tolle Tänzer und leidenschaftliche Liebhaber" dargestellt werden. Kann man das so zusammenfassen?

Neubauer: Diese Klischees kursieren dort durchaus. Hinzufügen würde ich allerdings noch eine große Warmherzigkeit und Emotionalität, weil das eigentlich das Markanteste ist - das weiß ich durch meinen Lebenspartner. Trotz seiner bedrückenden Geschichte hat sich Chile zum wirtschaftlich erfolgreichsten Land Südamerikas hochgearbeitet, von Kämpfern kann also wahrlich die Rede sein.

Im Film gibt es die Liebe auf den ersten Blick. Glauben Sie daran?

Neubauer: Liebe passiert. Das kann man sich nicht aussuchen oder planen. Sie ist ein Geschenk und man sollte sie als solches dankbar annehmen, wie auch immer sie passiert.

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