Christine Kaufmann packt aus: Ihre Lebensbeichte
Mit acht Kinderstar, mit 18 mit Tony Curtis verheiratet: Christine Kaufmann packt aus. Sie betrog Curtis, liebte heimlich einen schwulen Mann und schenkte Gefühle her.
München - Bei der Geburt hatte sie die Nabelschnur um den Hals – „ein symbolträchtiger Eintritt in die Welt“, wie sie heute findet.
Christine Kaufmann ist jetzt 68, und dazwischen ist sehr früh sehr viel passiert. Mit acht Jahren wurde sie als „Rosen-Resli“ berühmt, mit 18 heiratete sie Weltstar Tony Curtis (†), und nun ist sie Oma von vier Enkeln. Die Münchner Schauspielerin hat vier Jahre lang ihr eigenes Sein im Schein beleuchtet. Herausgekommen ist ihre Lebensbeichte „Scheinweltfieber“ (LangenMüller, 24,99 Euro) – ein Mix zwischen Abrechnung und Analyse. Die AZ druckt vorab exklusiv Auszüge. Christine Kaufmann über...
RUHM „Ruhm ist ein Flaschengeist, der seine Form verändert, unterwürfig scheint und dabei völlig unberechenbar bleibt.“
IHRE ZEIT IM KINDERHEIM Ich zitiere meinen Vater (der aus dem Krieg kam, Anm. d. Red.), der nie lügen konnte. Ich war zu dem Zeitpunkt zehn Monate. „Ich fand deine Mutter, die überrascht war, mich lebend zu sehen. Dich hatten sie in ein Kinderheim gegeben. Ich ging und holte dich ab. Die Schwestern sagten, sie würden gerade dich ungern hergeben. Du warst das einzige Kind, das nie weinte.“
DAS ROSEN-RESLI Rosen-Resli prägte eine Generation. Menschen konnten durch mich weinen. Das Rosen-Resli war ein Kind, das weinen konnte, weil ich es als Kleinkind nicht durfte. Für mich waren diese Liebe und Anerkennung in Form von Idolisierung erschreckend. Es war überdimensional. Bei Dreharbeiten hörte ich ständig das Wort „altklug“. Nein, ich hätte gutgläubig und dankbar sein sollen. Und mich dann, wie es sich gehört, früh entsorgen. Ich sehnte mich nach der Realität, wie sich andere nach der Scheinwelt sehnten.
QUALEN AM SET Gert Fröbe musste mich ohrfeigen, und so lernte ich, dass es in Ordnung zu sein scheint, ein kleines Mädchen vor der Kamera zu ohrfeigen, weil man sich ja in der Pause entschuldigte und es ja „für den Film“ war. Diese Logik fand ich fragwürdig. Das Kind vor der Kamera war nicht ich. Ich schenkte nur Gefühle her.
FRÜHE KOMPLEXE Meine kindliche Sorge, mit Augenringen aufzuwachen, raubte mir den Schlaf. Hinzu kam die Abhängigkeit von Abführmitteln, weil die Angst vor dem Versagen mich unfähig machte, normal aufs Klo zu gehen.
DER KINDERSTAR–FLUCH Der Kinderstar hat Millionen von Eltern. Alle Erwachsenen können enttäuscht werden. Meine Mutter hat einmal einem Bekannten auf die Frage, wie ich denn als Kind war, aufrichtig geantwortet: „Christine war nie ein Kind.“
TONY CURTIS Ich heiratete mit 18 einen Weltstar, verweigerte mich der angebotenen Karriere und erlebte Tinsel-Lametta als Golden-Globe-Gewinnerin und meist schwangere Ehefrau. Nach zehn Jahren vor der Kamera fand ich es sehr schön, als schön zu gelten, ohne diese Schönheit vermarkten zu müssen. Ehefrauen sind in der Karrierewelt Krankenschwester und Kriegsberichterstatter in einem. Ich war mit einem verheiratet, dem die Krankenschwester gereicht hätte.
CURTIS UND SEINE ANGST Ich konnte im Zeitlupentempo beobachten, wie die Angst vor der Zukunft, vor dem Altern, vor dem Verlust an Chancen meinen Mann und andere auffraß.
DROGEN Drogen, gepflegte Schizophrenie, Hochmut und Angst – es lag in der Natur der Stars, immer von Verlustängsten bedroht zu sein. Eigentlich sollte ich in dieser Welt niemanden kennen lernen, der nicht Drogen nahm.
AVA GARDNER Die Schönste von allen war Ava Gardner. Ihr Alkoholkonsum und ihre Matrosensprache waren legendär. Das Wort „fuck“ wie ein Komma in fast allen Hollywoodkreisen. Mir kam ihre zerstörerische Kritik an sich selbst bekannt vor.
SCHÖNHEIT Schönheit ist eine Art Verdammung mit Rüschen.
DAS LEBEN MIT TONY Ich war eine Puppe. Immer makellos gekleidet, aber ungeübt im echten Leben und echten Gefühlen. Meine Kinder waren das Einzige in dieser Welt, für die ich wirklich etwas fühlte. Ich stillte lange, und Tony war eifersüchtig. Doch vor allem hatte er Angst vor mir. Ich war ein lebendes Schmuckstück, das von einer Privatsekretärin bewacht und für Freizeitfreuden herumkutschiert wurde. In diesem Luxus wurde ich immer lebensuntüchtiger, ich konnte nicht einmal das elektronische Tor öffnen.
STREIT MIT TONY Ich wollte ihm anvertrauen, dass ich mit meiner Freundin Marihuana geraucht hatte. Auf mein naives Geständnis fetzte er mich an und behauptete, ich hätte Affären mit Frauen, würde schon lange kiffen. Das war zu dem Zeitpunkt nicht wahr. In meiner jugendlichen Wut bekam ich einen Blutrausch und griff ihn an. Ich hörte erst auf, ihn zu attackieren, als er unter mir lag.
DAS ENDE MIT TONY Ich denke, es gab Wetten über die Dauer unserer Ehe. Aber wir waren vier Jahre glücklich, kein einziger Streit, bis ich merkte, was für einem armen, überforderten Menschen ich mein Leben anvertraut hatte und dass er etwas von mir wollte, vor dem ich mich immer ekelte: Mitleid (für den Phantomschmerz der Angst). Im Gegensatz zu mir war sein Selbstbewusstsein vollkommen von seinem Marktwert abhängig. Wurden wir auf irgendein Fest nicht eingeladen, so lag er im verdunkelten Zimmer, weinte und wollte Mitleid von mir. Er hatte dieses Loch in sich. Dieses Gefühl von Wertlosigkeit als Mensch. Nur als Star zählte sein Leben.
TONYS TOD Das erste war eine unerklärliche Trauer, obwohl er mir so viel Leid verursacht hat. Der ältere Mann hatte sich an mir, der Kindfrau, gerächt, weil ich ihn verlassen hatte. Er hatte ausgerechnet dem Mann, in den ich mich verliebt hatte, seinen Hass und auch seine verletzten Gefühle anvertraut. Die Affäre mit Melvin besiegelte für mich das Ende der Ehe. Davon sollte Tony nie etwas erfahren, er war und blieb mit Melvin sein Leben lang befreundet. Allerdings, dieses sich in andere Männer verlieben, kam aus der Leere, die ich bei Tony empfand.
IHRE GROSSE LIEBE Meine Liebesfähigkeit entwickelte sich erst nach der Ehe, und es gab eine große, lange Liebe mit einem Mann, der nach Standardkriterien gar nicht infrage kam. Günther Amendt (†2011) war schwul. Unsere Beziehung stand über den normalen Kriterien. Für ihn trug ich gewisse Kleider und lief auf besonderen Schuhen vor ihm her, weil es ihm gefiel, wie sich meine Hüften bewegten. Seine Blicke tasteten mich ab und gaben mir das Gefühl von Schönheit. Wir haben geredet, gekocht und Dinge gemeinsam betrachtet. Auch Frauen und Männer. Diese Art Intimität ist etwas Eigenes. Wir waren zu einem einzigen Wesen gewachsen.
DAS ÄLTERWERDEN Der Vorteil des Alters, man ist nicht mehr im Rennen. Das schafft Distanz und Freiheit. Aber die Manie, im Laufe der Jahre so aussehen zu wollen, als hätte man nie gelebt, diese Botoxstarre bekommt den ersten Preis aller Verrücktheiten.
VERKAUFSSENDER Der Swingerclub der Kosmetikwelt – das Teleshopping. Von der ersten Sekunde an wurde ich bekämpft. So wie einem manche Leute unterm Tisch vors Schienbein treten. Der Reihe nach stellte man mir andere Frauen als Schönheitsexpertinnen zur Seite. Uschi Glas, Michaela Merten, Verona Pooth. Jedes Jahr wurde eine neue Konkurrentin aufgebaut, deren Werbefilme „aus Versehen“ in meinen Sendungen gezeigt wurden.
DIE PROMIS HEUTE Ein wenig erinnert mich das heutige Rote-Teppich-Gehabe an Metzgerwerbungen. Lüstern lächelnde Schweine, meist mit Perlen geschmückt, preisen ihre Koteletts an. Der rote Teppich hat jetzt eine Art Zen-Bedeutung: „Der Weg ist das Ziel.“ Wozu filmen, es reicht der rote Teppich!
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