Charles III.: Ist seine Krönung das Ende des Königshauses?

Die Briten und ihr Königshaus – eine Hass-Liebe, die für andauernde Diskussionen sorgt. Vor allem jüngere Menschen sprechen sich für die Abschaffung der Monarchie aus. Auch Prinz Harrys Enthüllungsbuch stößt die Debatte weiter an. Anlässlich der Krönung von König Charles III. drängt sich daher eine Frage auf: Ist es Zeit, ihn vom Thron zu stoßen?
Susanne Ebner |
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Charles mit Harry und Maghan auf dem Balkon des Buckingham Palastes, als die Sussexes noch in Großbritannien lebten.
Charles mit Harry und Maghan auf dem Balkon des Buckingham Palastes, als die Sussexes noch in Großbritannien lebten. © imago/ZUMA Press

Als König Charles III. im Rahmen seines ersten Staatsbesuches im neuen Amt am Brandenburger Tor ankam, zog eine kleine Geste viel Aufmerksamkeit auf sich. Ein Mann verlor seine Mütze und der Monarch reagierte ohne zu zögern, hob sie auf und gab sie ihm zurück. "Das war ganz toll", schwärmte der Schaulustige.

Charles Krönung kostet die Briten Millionen

Wie er empfanden es viele Deutsche es als große Ehre, dass König Charles III. zuerst nach Berlin reiste, weil er wegen der chaotischen Verhältnisse in Frankreich anders als geplant nicht zuerst dorthin fuhr. Der 74-Jährige traf den richtigen Ton und erwärmte damit die Beziehung zwischen zwei Nationen, die nach dem Brexit deutlich abgekühlt war.

Das Königshaus gilt als größter Trumpf Großbritanniens auf diplomatischer Ebene. Gleichzeitig kosten der Monarch und seine Familie das britische Volk aktuell jedes Jahr mehr als 86 Millionen Pfund, das sind über 100 Millionen Euro. Und: Die pompöse Krönung des Staatsoberhauptes Anfang Mai wird weitere Millionen verschlingen.

Da drängt sich eine Frage auf, die in Großbritannien insbesondere von jüngeren Menschen immer häufiger gestellt wird: Wäre es angesichts der wirtschaftlichen Krisen und der steigenden Lebenshaltungskosten nicht längst Zeit, die Monarchie abzuschaffen? Kritiker des Königshauses reiben sich überdies daran, dass der Titel vererbt wird. In anderen Worten: Es ist reine Glückssache, ob ein Thronfolger dieser Rolle gewachsen ist oder eben nicht.

Die britische Königsfamilie: "Unverdiente Privilegien und Ungleichheiten"

Unter anderem deshalb solle der König durch ein gewähltes, demokratisches Staatsoberhaupt ersetzt werden, betont Graham Smith, Chef der Organisation "Republic". Diesem Anliegen will die Organisation im Rahmen einer großangelegten Demo zum Zeitpunkt der Krönung im Mai Ausdruck verleihen.  Auch für die britische Journalistin Eve Livingston symbolisiert die königliche Familie "unverdiente Privilegien und Ungleichheiten, die die britische Gesellschaft nach wie vor durchdringen". Schließlich ist kaum eine Nation so besessen von Klasseneinteilung wie die britische. Der eigentliche Startvorteil der "upper class", der Oberschicht, besteht dabei unter anderem in sozialen Beziehungen, bedingt durch die familiäre Herkunft.

Der Blick in die Vergangenheit der Royals enthüllt weitere höchst fragwürdige Kapitel. Schließlich steht das Königreich auch für die Ausbeutung zu Zeiten des "British Empire". Und: "Die 56 Mitgliedstaaten des Commonwealth, von denen 15 Charles III. als Staatsoberhaupt anerkennen, setzen sich zunehmend kritisch mit dieser Geschichte auseinander", erklärt Almuth Ebke, Historikerin zur britischen Geschichte der Gegenwart.

"Die Kronjuwelen bestehen hauptsächlich aus Steinen, die an verschiedenen Orten des einstigen Weltreiches gestohlen wurden. Die Königin trug sie und schlug nie vor, sie zurückzugeben", betont die Historikerin Priya Satia. "Es gab keinen Moment, in dem die Monarchin dem Imperium den Rücken gekehrt und gesagt hat: "Nie mehr wieder" oder "Wir bedauern, Teil davon gewesen zu sein"." Obwohl Elizabeth als Staatsoberhaupt nur begrenzt Einfluss nehmen kann, hätte sie sich äußern können. "Doch sie entschied sich dazu, zu schweigen", sagt Satia.

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Prinz Harry: Kriegserklärung an das Königshaus

Die Royals versuchen überdies, eine ideale Familie zu verkörpern, werden diesem Anspruch jedoch nur sehr bedingt gerecht. Prinz Harrys Buch "Spare" (deutscher Titel: "Reserve"), welches im Januar erschien, kam einer Kriegserklärung an das Königshaus gleich. Darin beklagte er sich über die Atmosphäre im Palast. König Charles und Königin Camilla wurden kritisiert, genauso wie William und Catherine. So sollen die Brüder offenbar eine geschlagene Woche lang einen völlig belanglosen Streit darüber geführt haben, ob Harry anlässlich seiner Hochzeit im Mai 2018 einen Bart tragen sollte oder nicht.

Der 38-Jährige brach damit eine eiserne Regel der Windsors: Stillschweigen zu bewahren. Nach dem Motto: "Never complain, never explain". Und: Er enthüllte, dass die Mitglieder des Königshauses eigentlich nicht besser sind als wir selbst, wie der Politologe Andrew Blick betont.

"Wir wissen nicht, was Prinz Andrew getan hat"

Den größten Schaden fügt der Monarchie aktuell jedoch zweifelsohne Prinz Andrew zu, so Catherine Mayer, Journalistin und Autorin einer Charles-Biografie. Der Herzog von York hatte vor über einem Jahr ein Missbrauchsverfahren abgewendet, indem er sich mit der Klägerin, der US-Amerikanerin Virginia Giuffre, außergerichtlich geeinigt hatte. Die heute 39-Jährige warf ihm vor, sie als Minderjährige auf den Anwesen des mittlerweile verstorbenen Sexualstraftäters Jeffrey Epstein vergewaltigt zu haben – in London, New York und auf den Jungferninseln.

"Wir wissen nicht, was Prinz Andrew getan hat. Was wir aber wissen, ist, dass die königliche Familie mit Jeffrey Epstein und dem ebenfalls bereits verstorbenen früheren BBC-Moderator Jimmy Savile gleich zwei verurteilten Sexualstraftätern nahestand. Und das wirkt sich ganz klar auf den Ruf der Institution aus", sagte Mayer.

Dennoch fasziniert die Monarchie. Wie viel sie den Briten bedeutet, zeigte sich nach dem Tod von Königin Elizabeth II. im September vergangenen Jahres. Auch Bürger, die sich nicht als Royalisten bezeichnen würden, waren schwer getroffen. Tausende legten damals vor dem Buckingham-Palast Blumen und Briefe nieder oder standen stundenlang in einer Schlange, um sich von ihr an ihrem Sarg in Westminster Hall zu verabschieden.

Royal Expertin bestätigt: "Charles hatte einen guten Start"

Elizabeth II. gehörte nach 70 Jahren auf dem Thron zum Alltag und dies gilt bis zu einem gewissen Maße nun auch für ihren Nachfolger, König Charles III. Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes YouGov zufolge war er im Sommer vergangenen Jahres nur bei 42 Prozent der Briten beliebt. Anfang dieses Jahres hatten 55 Prozent ein positives Bild von ihm. "Er hatte einen guten Start", bestätigte Pauline MacLaran, Royal-Expertin an der Royal Holloway Universität in London.

Während seine Mutter immer etwas distanziert gewirkt habe, präsentiere sich Charles nun "entspannter und offener, in gewisser Weise moderner", sagte Craig Prescott, Experte für Verfassungsrecht. Wie lange diese Phase anhält, ist jedoch ungewiss. Für einen Fortbestand des Königshauses spricht laut der Historikerin Almuth Ebke, dass diese historisch eng mit der britischen Demokratie verwoben ist. Das Parlament zieht einen Teil seiner Würde und Legitimität aus dem Königtum, etwa wenn der Monarch alljährlich feierlich das Parlament eröffnet.

Obwohl der König überwiegend repräsentative Aufgaben übernimmt und nur wenig Handlungsspielraum hat, ist er politisch involviert. Zum Beispiel im Rahmen der wöchentlichen Treffen mit dem Premierminister. "Viele ehemalige Regierungschefs haben darauf verwiesen, was für eine unschätzbare Quelle die Queen als institutionelles Gedächtnis für das Regierungshandeln war", betont Ebke.

Historikerin Almuth Ebke: "Für viele bedeutet die Monarchie etwas extrem Positives"

Mögen Rituale wie diese und pompöse Feierlichkeiten auf den ersten Blick altertümlich, ja überholt wirken, sind sie laut MacLaran entscheidend. Zeremonien wie jene anlässlich der Krönung "erinnern an die 1000-jährige Geschichte der Monarchie". Ein Präsidialsystem würde nicht das gleiche visuelle Spektakel zulassen, das bei so vielen Menschen Emotionen wecke, sagt sie. Während sich die Welt wandelt, Premierminister und Premierministerinnen kommen und gehen, Wirtschaftskrisen zu schnellen Maßnahmen zwingen, Kriege die Welt erschüttern, stehen der Souverän für "Kontinuität und Stabilität", ist auf der Homepage des Palastes zu lesen.

"Für viele bedeutet die Monarchie etwas extrem Positives", betont die Historikerin Almuth Ebke. Sie spende in schwierigen Zeiten Trost. Das Königtum stabilisiert die Gesellschaft in unruhigen Zeiten. Die Royals spielen zweifelsohne nach wie vor eine große Rolle für die Menschen in Großbritannien. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Ipsos ergab, dass ein Drittel der Bevölkerung auf die britische Geschichte und immerhin 28 Prozent auf die königliche Familie stolz sind. Insbesondere unter älteren Menschen ist das Interesse an einer Republik gering.

Jüngere sehen das jedoch anders. Laut YouGov sprechen sich drei Viertel der 18- bis 24-Jährigen für die Abschaffung des Königshauses aus oder stehen ihm zumindest gleichgültig gegenüber. Vieles spricht dafür, Charles III. vom Thron zu stoßen. Jetzt jedoch wird er erst einmal gekrönt.

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2 Kommentare
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  • Sarah-Muc am 04.05.2023 18:13 Uhr / Bewertung:

    Warum schaffen sie das vorsintflutliche und teure Königshaus nicht einfach ab?
    Mit dem vielen Geld könnte man in GB viele andere tolle Sachen machen. Eule75 fällt ja auf
    durch ihr Wissen übers Königshaus. Erinnert mich an was.

  • eule75 am 04.05.2023 17:22 Uhr / Bewertung:

    Eigentlich sind die Königshäuser schon lange nicht mehr zeitgemäß. Wenn die Briten aber ihre Royals behalten wollen - ist das ihr Recht. Da aber Krönungen sehr teuer sind und Charles nicht mehr der Taufrischeste, wäre es besser gewesen, William den Thron zu überlassen - auch da Kate vom Volk geliebt wird.

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