Bub stellt Seehofer ruhig
Beim Neujahrsempfang im Kaisersaal der Residenz hält Felix (12) dem Ministerpräsidenten den Mund zu. Der wünscht sich eine ähnliche Tapferkeit auch von seinen Parteifreunden
Es war ein Aufmarsch der Mächtigen und Einflussreichen in der Münchner Residenz – aber ein Bub aus Pähl zwischen Starnberger und Ammersee hat am Freitagabend allen die Schau gestohlen: Der zwölfjährige Felix Finkbeiner verbot Ministerpräsident und Gastgeber Horst Seehofer beim Defilee den Mund. Als die Apparate der Fotografen blitzten und die Fernsehkameras surrten, hielt er Seehofer seine Kinderhand vor den Mund. „Stop talking, start planting“ („Aufhören zu reden, anfangen zu pflanzen“) rief der Mini-Öko-Aktivist dazu. Es ist der Slogan seiner Initiative „Plant for planet“, die in jedem Land der Welt eine Million neue Bäume pflanzen will.
Seehofer lachte über den Buben-Streich und ließ Felix gewähren. „Horst Seehofer findet’s klasse, was wir da machen“, erklärte Felix im Saal des Heiligen Georg nachher der AZ. Vor drei Jahren – da war er neun – hat Felix seine Initiative gegründet, 7000 Kinder weltweit beteiligen sich mittlerweile daran. In Deutschland wird er sein Eine-Million-Bäume-Ziel heuer erreichen.
Zirka 2000 Hände in zwei Stunden mussten Seehofer und seine Frau Karin (heiß diskutierte Frage in der Frauen-Fraktion: Trägt ihr silbergrauer Zweiteiler auf oder nicht?) schütteln. Es kamen zwar etwas weniger Gäste als zu Seehofers Premiere, aber vom Friseur Wolfgang Lippert bis zum kompletten bayerischen Kabinett war alles da, was in München Rang und Namen hat.
FDP-Chefin und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nutzte den kurzen Termin bei Seehofer, den sie gemeinsam mit Schatzmeister Klaus von Lindeiner absolvierte, sogar für politische Fachgespräche. „Wir haben darüber geredet, wie wir eine vernünftige Steuerstrukturreform hinbekommen“, sagte sie der AZ. Mit diesem Konzept – nicht mehr über die Höhe der Steuern, sondern über das Steuersystem zu reden – will sie den Streit um weitere Steuersenkungen entschärfen.
Komplimente für Christine Haderthauer
Entschärfen musste man auch fast das ausgeschnittene Kleid von Seehofer-Tochter Susanne – und den modischen Traum in Schwarz und Weiß im schulterbetonenden Neckholder-Stil, den Sozialministerin Christine Haderthauer trug. „Das ist nichts Besonderes“, wehrte die CSU-Frau Komplimente ab. Ein Blick aufs Etikett zeigte: Sie hat recht. Es war ein Kleid von Chou Chou, einem deutschen Hersteller, der mit „exklusiver Mode zu vernünftigen Preisen“ wirbt.
Zum Abschluss des Abends rückte Seehofer den Buben noch einmal ins Rampenlicht: „Als er mir den Mund zugehalten hat, hat er ein Selbstvertrauen und eine Tapferkeit gezeigt, die ich mir auch von meinen eigenen Parteifreunden wünschen würde.“
Georg Thanscheidt