Ben Tewaag: "Ich habe mich bei meiner Familie entschuldigt"
Ben Tewaag hat (nicht nur) seinen Angehörigen reichlich Kummer gemacht. Er landete im Knast. Hier spricht er über die Rolle seiner Eltern, übers Verzeihen, spätes Erwachsenwerden und sein Buch
München - Ben Tewaag, der 35-Jährige ist der Sohn von Uschi Glas und Bernd Tewaag. 2009 saß er zehn Monate wegen Körperverletzung im Gefängnis. Darüber schrieb er das Buch „313“ (Tag & Nacht, 16,99 Euro, als Hörbuch, gelesen von ihm selbst, Random House Audio, 19,99 Euro). Der AZ hat er nun ein Interview gegeben.
AZ: Herr Tewaag, Sie haben ein Buch geschrieben. Wieso heißt es „313“?
BEN TEWAAG: Das ist die Gefängnis-Zellennummer meines Protagonisten Oliver Stein, der in seinem Leben ein paar ganz ähnliche Sachen erlebt hat wie ich.
Im Wesentlichen einen Gefängnisaufenthalt...
...der genau 586 Tage dauerte. Natürlich ist es keine reine Fiktion, sondern hat viel mit mir und meiner Zeit im Knast zutun. Ich habe diese Erzählform gewählt, weil ich keinen meiner Wegbegleiter denunzieren wollte – weder Zellenkumpel noch Wärter.
Harte Kost?
Nein, das ist kein Buch, in dem es um Mord und Totschlag im Knastalltag geht, sondern vielmehr eine emotionale Berg- und Talfahrt. Oli Stein ist ein erfolgreicher Musiker, der auf eine schiefe Bahn aus Drogen und Gewalt gerät und zu einer Haftstrafe verurteilt wird. Im Gefängnis erlebt er eine schonungslos realistische Reise durch das komplette Gefühlsspektrum aus selbstzerstörerischem Exzess, Enttäuschung, Sex, Gewalt, Drogen, Spaß, Versagen.
Ihre schlimmste Erinnerung?
Die ersten drei Monate waren am schlimmsten, weil du mit dem Kopf immer noch draußen bist und dich mit deiner Situation nicht arrangiert hast. Du versinkst in Selbstmitleid, fühlst dich von Gott und der Welt ungerecht behandelt und gehst schier kaputt daran. Nachdem ich dieses Tal der Tränen hinter mir hatte, ging es mir erstaunlich gut. Es war alles in allem eine weit weniger harte Erfahrung, als ich erwartet hatte.
Drogen?
Im Knast gibt’s nichts, was es nicht gibt. Aber das hat mich nicht interessiert. Zum einen war es mir wichtig, diese Erfahrung nüchtern zu erleben. Zum anderen ist der Knast kein Ort, an dem ich prall sein möchte. Ich habe Drogen stets in Momenten der Ekstase genommen, um mich aufzupushen. Und eine sieben Quadratmeter-Zelle ohne Musik und ohne Mädels entspricht nicht ganz dem, was mich so stimuliert.
Der Ist-Zustand?
Ich bin clean.
Mal ein Bierchen?
Auch das nicht. Ich kann nicht nur ein Bierchen trinken. Bei mir geht es nur ganz oder gar nicht – entweder an oder aus. Und seit eineinhalb Jahren ist der Schalter auf aus.
Empfinden Sie Reue für Ihre früheren Entgleisungen?
Ich würde heute nicht mehr nackt über den Marienplatz marschieren oder vor die Kamera kotzen. Aber zu der Zeit habe ich das gemacht, weil es sich richtig angefühlt hat - auch wenn es nicht das Beste oder Intelligenteste war. Was ich sagen will: Es geht darum sich selber zu verzeihen und nach vorne zu schauen.
Hat man Ihnen verziehen?
Die, die mir wichtig sind, auf jeden Fall. Ich habe mich sehr geschämt dafür, dass meine Familie so mit mir leiden musste. Der Blick in deren traurige Augen, als sie mich im Knast besuchten, hat mich fix und fertig gemacht. Einzig meiner Mutter hatte ich es strikt untersagt, vorbei zu kommen – zum einen wegen der emotionalen Belastung, aber auch wegen dem Medienrummel. Wir standen aber die ganze Zeit in Kontakt, schriftlich wie telefonisch.
Wie ging Ihre Familie damit um?
Ich habe mich bei ihnen entschuldigt, und sie haben mir natürlich auch verziehen. Es ist ja auch nicht so, dass ich jemand umgebracht hätte oder mein Elternhaus abgefackelt hätte. Für meine Eltern war das eher wie: „Das Kind hat halt den ein oder anderen Warnschuss nicht gehört!“ Wahrscheinlich machen sie sich große Vorwürfe, aber zu unrecht, denn ich wüsste nicht, was ich ihnen vorwerfen könnte.
Haben Ihnen Ihre Eltern keine Grenzen aufgezeigt?
An der Erziehung meiner Eltern kann ich nichts kritisieren. Ich fände es auch mehr als peinlich, wenn jemand, der so privilegiert aufgewachsen ist wie ich, seine Entgleisungen mit dem lieblosen Elternhaus entschuldigen würde. Ich habe weiß Gott andere Kaliber kennen gelernt, die weit mehr Gründe hätten, ihre Verfehlungen mit der schlimmen Kindheit zu entschuldigen.
Hat der Knast Sie erwachsen gemacht?
Meine Haltung entspringt weniger meiner Knasterfahrung als vielmehr einem gewissen Reifeprozess, der mich mit 35 Jahren auch endlich erreicht hat. Es geht um Eigenverantwortlichkeit. Ich bin lange genug unverantwortlich mit mir selbst umgegangen. Ich habe keinen Bock mehr, ständig auf die Schnauze zu fallen. Früher war der Schmerz wichtig, damit ich mich spüre. Damit soll jetzt Schluss sein.
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