Auf Reise mit der Asche der Zwillingsschwester

Vor acht Monaten starb Jutta Winkelmann. Jetzt hat 68er-Ikone Gisela Getty ihr den letzten Wunsch erfüllt: Sie hat ihre Asche in den Ganges gestreut – in der AZ erzählt sie von der besonderen Erfahrung.
von  Kimberly Hoppe
"Ein Irrsinnsort", nennt Gisela Getty die Stelle am indischen Fluss Ganges, an der Jutta so gerne gewesen ist.
"Ein Irrsinnsort", nennt Gisela Getty die Stelle am indischen Fluss Ganges, an der Jutta so gerne gewesen ist. © Gisela Getty

Vor acht Monaten starb Jutta Winkelmann. Jetzt hat 68er-Ikone Gisela Getty ihr den letzten Wunsch erfüllt: Sie hat ihre Asche in den Ganges gestreut – in der AZ erzählt sie von der besonderen Erfahrung

Sie waren ihr Leben lang unzertrennlich. Bis der Tod kam. Vor acht Monaten schloss Jutta Winkelmann († 67) für immer die Augen. Ihre Zwillingsschwester Gisela Getty (68) war bei ihr. Natürlich. Wie auch sonst.

Sie waren mehr als die wilden freizügigen Schwestern, mehr als die berühmten "Getty Twins", die halb Hollywood und vielen Hippie-Stars die Köpfe verdrehten. Mehr als die Haremsfrauen von Rainer Langhans. Sie waren für einander ihre Lebensmenschen.

Juttas letzter Wunsch sollte in Erfüllung gehen

Deshalb war für Gisela sofort klar, dass sie, ganz egal, wie anstrengend es auch werden möge, Juttas letzten Wunsch erfüllen wird: Ihre Asche in den Ganges zu streuen.

Dieser gewaltige indische Fluss, 2600 Kilometer lang, dreckig durch Abwässer und Schadstoffe, aber den Hindus heilig. Auch Jutta – seit sie vor fünf Jahren dort war, nach der ersten Krebsdiagnose.

Ein Bad im Ganges soll von Sünden reinigen und verspricht Absolution. Für Jutta, die sich so lange auf ihr Sterben vorbereitet hat, war der Gedanke an den Ganges schöner und irgendwie tröstlicher als jede Beerdigung in einem Grab in München.

Erst war es zu windig, um die Asche zu verstreuen

Nun lag es an Gisela, die geliebte Schwester an ihren Sehnsuchtsort zurück zu bringen. Mit Langhans, Juttas Kindern Karline, Severin und dessen Frau reiste Gisela für drei Wochen nach Indien. Im Koffer und später in einer weißen Tasche mit dabei: Juttas Urne. Als sie am Ganges ankommen, in der Nähe von Varanasi, an diesem "Irrsinnsort", wie ihn Gisela nennt, war es erst zu windig, um die Asche zu verstreuen.

"Wir haben einen Tag gewartet", erzählt Gisela Getty der AZ. "Ich war so froh, Jutta noch bei mir zu haben. Ich wollte sie gar nicht loslassen. In der Nacht vor dem Abschied habe ich keine Sekunde geschlafen. Ich habe nur die Totengesänge der Hindus am Fluss gehört, mir Bilder von Jutta in Indien angeschaut und viel geweint." Die Stimmung am Ganges sorgt bei allen für viel Gänsehaut. "Es herrscht dort eine mittelalterliche Stimmung", erinnert sich Gisela. Und weiter: "Man wird mit so vielen Ängsten konfrontiert. Es geht nur ums Sterben. Während in Deutschland alles steril und klinisch abläuft, ist das Sterben dort aber voller Leben. Es ist ja alles auch gruselig nah beieinander, das Lieben und der Tod. Das hat mich beeindruckt, aber auch überwältigt."

An Juttas Lieblingsstelle am Ganges wurde die Asche verstreut

Am nächsten Tag, es ist völlig windstill, geht Gisela zu Juttas Lieblingsstelle am Ganges. Mit den Kindern öffnet sie die Urne, die erst gar nicht aufgehen will. Ein Affe schreit. Menschen singen, Kühe laufen umher, die Sonne geht unter. "Es war so surreal, so völlig abstrakt", meint Gisela. "Ich dachte nur: Kann das hier alles wahr sein? Ich stehe im eiskalten Wasser und verstreue meine Schwester?"

Dann endlich schaffen sie es, die Urne zu öffnen. "Wir haben Juttas Asche in den Ganges gestreut – diesen Schritt haben wir sehr bewusst getan. Es war eine irre intensive Erfahrung. Und eine extrem traurige."

Danach werden nacheinander alle Reisenden krank. Gisela: "Das war klar, wir sind alle an unsere Grenzen gegangen." Heute, mit paar Tagen Abstand, zieht Gisela dieses Fazit: "Jutta wollte, dass wir alle die Ganges-Erfahrung machen und daran wachsen. Es war nicht ihr letzter Wunsch, sondern ihr letztes Geschenk an uns."

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