Arthur Cohn: „Das Element des Ungewissen“
Im AZ-Interview spricht Oscar-Produzent Arthur Cohn über die Awards, teure Parties - und warum es heuer bei der Verleihung weniger Glamour gibt als bisher gewohnt.
AZ: Herr Cohn, am Sonntagabend ist die 81. Oscar-Verleihung – ist alles wie immer oder alles ganz anders?
ARTHUR COHN: Die Leitung der Film-Academy hat diesmal den Wunsch geäußert, dass die Schauspielerinnen, die später einen Oscar überreichen, nicht vorher auf dem roten Teppich erscheinen.
Warum denn das?
Damit das Geheimnis ihrer Kleider gewahrt wird. Bekanntlich sind die berühmtesten Designer monatelang vor den Oscars beschäftigt, um besonders gelungene Outfits herzustellen. Wenn man die Stars vorher nicht auf dem roten Teppich sieht, ist die Überraschung natürlich größer.
Und der Glamour weniger – spart Hollywood in Zeiten der Finanzkrise?
Die Finanzkrise wird auch in Hollywood in vieler Hinsicht deutlich sichtbar. Die „L.A. Times“ hat getitelt: „Stars may shine, but little less brightly“.
Second Hand statt Haute Couture?
Viele Schauspielerinnen wollen sich schlichter kleiden. Und vor allem darauf verzichten, zu erzählen, wie viel ihr Schmuck gekostet hat. Das war sonst üblich.
Wird weniger gefeiert?
Das würde ich nicht sagen. Außer der berühmten Party von „Vanity Fair“ nach den Oscars gibt es am Samstag eine riesige Party für das Altersheim von ehemaligen Stars. Der Eintritt zur Party kostet sage und schreibe 7500 Dollar, wobei jeder Gast mindens vier Tickets kaufen muss. Diese Mammut-Party ist von A bis Z ausverkauft. Für gute Zwecke ist das Geld noch nicht zu knapp.
Bringt eine Oscar-Verleihung mehr Spaß oder Stress?
Das ist kein Stress.
Sie sind heuer ausnahmsweise nicht nominiert – und können jetzt alles mehr genießen, oder?
Wenn man nicht nominiert ist, ist es natürlich viel entspannter. Denn, wenn man nominiert ist, denkt man die ganze Zeit nur an die Dankesrede, die man halten wird, wenn man gewinnt.
Sie haben sechs Dankesreden gehalten und müssen es wissen: Wer wird diesmal keine Zeit zum Entspannen haben?
Mir liegt es fern, als Mr. Oscar zu erscheinen.
Sie kokettieren!
Prognosen von mir würden den Anschein erwecken, dass man hinter die Kulissen blicken könnte. Das ist nicht der Fall – und wird auch nie der Fall sein.
Aber Sie sind Mitglied der Academy.
Es gibt 6000 Mitglieder. Wenn man mit Sicherheit wüsste, wer gewinnen wird, würden unzählige der nominierten Stars an dem Abend gar nicht erscheinen. Es ist gerade das Element des Ungewissen, dass dazu führt, dass fast zwei Milliarden Menschen diese Show im Fernsehen anschauen.
Was bedeuten Ihnen die sechs Oscars?
Der Oscar ist die höchste Auszeichnung in der Welt des Films. Er ist die Bestätigung, dass man mit einem Thema etwas Wichtiges zu sagen hat. Außerdem ebnet die Academy einem Film den Weg zum Publikum. Gerade für mich, der keine Themen aussucht, die mainstream sind, ist der Oscar deshalb besonders wichtig. Mein Film „Die Gärten der Finzi-Contini“ wird heute auf der Liste der 100 besten Filme aller Zeiten aufgelistet, aber vor dem Oscar haben ihn 31 Filmverleiher aus aller Welt abgelehnt.
Was ist Ihr Geheimrezept?
Als unabhängiger Produzent – hinter mir steht ja kein Hollywood-Konzern – muss die Thematik einmalig sein. Ich würde nie einen Krimi oder Western drehen, davon gibt es Tausende. Meine Filme erzählen Stories, die bisher nie erzählt worden sind. Dadurch können sie das Publikum bereichern.
Gibt’s Erfolsgaranten?
Das Drehbuch ist entscheidend. Ich finde, viele europäische Kollegen geben der Drehbuchentwicklung zu wenig Zeit. Bei mir kann das auch mal Jahre dauern. Wichtig ist auch der Film-Schnitt, der den Rhythmus bestimmt und die Endversion sehr beeinflusst.
Wem drücken Sie beim Oscar besonders die Daumen?
Sean Penn! Er ist ein besonderer Freund und seine Frau Robin Wright-Penn ist nicht nur eine glänzende und von vielen unterschätzte Schauspielern, sondern eine großartige Mutter von zwei Kindern. Ihre Abmachung ist vorbildlich – weil immer nur einer von beiden dreht und der andere dann bei den Kindern ist.
Mit welcher Schauspielerin fiebern Sie mit?
Meryl Streep. Sie ist eine enge Freundin – und auf diese Freundschaft bin ich besonders stolz. Es besteht für mich kein Zweifel, dass Meryl die beste Schauspielern der Gegenwart ist und jede Aufgabe meistert. Ob „Mamma Mia!“ oder „Doubt“ – niemand könnte die unterschiedlichen Rollen so bravourös spielen.
Was zeichnet Ihre Freundschaft aus?
Wir beide waren vor einigen Jahren für den Oscar nominiert und wir gingen beide leer aus. Was geschah? Meryl suchte mich im großen Dunkel vom Auditorium 15 Minuten lang, nur um mich zu trösten und mir Mut zuzusprechen. Sie kam gar nicht auf die Idee, dass es an mir gelegen hätte, sie zu trösten.
Sie haben die deutschen Beiträge gesehen – wie stehen die Chancen?
Pro Jahr werden über 5000 Filme gedreht werden. Unter die letzten Fünf zu kommen, ist eine großartige Leistung. Ich freue mich besonders für den jungen Berliner Kurzfilm-Regisseur Jochen Alexander Freydank.
Was sind für Sie die besten Filme aller Zeiten?
„Casablanca“, „Club der toten Dichter“, „Fahrraddiebe“. Und „Citizan Kane“ ist zweifellos der bemerkenswerteste Film aller Zeiten. Ich habe ihn über 50 Mal gesehen, kann die meisten Dialoge auswendig. Es geht um einen Mann, der immer große Erfolge hatte, aber am Schluss seines Lebens hat ihn nichts so sehr beglückt, wie die Erinnerung an eine Schlittenfahrt mit seinem Vater.
Geht es Ihnen ähnlich?
Das ist schon so: Alles, was ich bin und geben kann, verdanke ich meinen Eltern.
Interview: Kimberly Hoppe
Zum Mit- oder Nachlesen: In der Nacht von Sonntag auf Montag berichtet Abendzeitung.de ab 1 Uhr per Liveticker von der Oscarverleihung.
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