Anthony Scaramucci: Wer ist dieser irre neue Trump-Sprecher?

Er ist Doktor der Rechtswissenschaften, spricht aber wie ein Straßenjunge. Anthony Scaramucci pöbelt sich durchs Weiße Haus.
von  (wue/spot)

Man muss sich das nur einmal so vorstellen: Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert (57), Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, ruft einen Journalisten einer großen deutschen Wochenzeitung an und redet offiziell mit ihm über einen der engsten und wichtigsten Mitarbeiter von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel; sagen wir: über Kanzleramtsminister Peter Altmeier (59, CDU). Der Regierungssprecher pöbelt sich gegenüber dem geschockten Reporter in Rage und vergleicht sich äußerst abfällig mit dem Minister. Er sei nicht wie er, "ich versuche nicht, meinen eigenen Schw... zu lutschen." ("Great Again!: Wie ich Amerika retten werde" von Donald Trump können Sie hier bestellen)

Gottseidank ist so etwas in Deutschland nicht vorstellbar! Und falls doch, könnte der Regierungssprecher nicht einmal so schnell schauen, wie er weg vom Fenster wäre. Die USA hingegen erweisen sich auch in dieser Beziehung - zumal in der Administration von Präsident Donald Trump (71, "Gib niemals auf!") - als Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Da ruft der frisch ernannte Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, Anthony Scaramucci (53), einen Journalisten des renommierten Magazins "The New Yorker" an und zieht wüst über Trumps inneren Zirkel und den Chefideologen her. Mit Worten, die man nicht ausschreiben möchte.

Es fing alles ganz harmlos an

Ryan Lizza, Reporter des "New Yorker", hatte herausgefunden, wen der Präsident bewirten wollte und twitterte: "Exklusiv: Trump hat heute ein Abendessen mit Sean Hannity, Bill Shine (ehemaliger Fox-News-Manager) & Anthony Scaramucci, zwei informierten Quellen zufolge."

Spät in der Nacht rief Scaramucci bei Lizza an, der daraufhin in einem veröffentlichten Gesprächsprotokoll schreibt: "Er war nicht glücklich." Das kann man so sagen. Scaramucci hatte seinem Chef Trump versprochen, dass es mit ihm keine Durchstechereien an die Presse mehr geben werde - und nun das. Barsch wollte er von Lizza den Namen seines Informanten wissen: "Wer hat dir das gesteckt?" Der lehnte bedauernd ab.

Eine missglückte Drohung

Die Drohung Scaramuccis, er würde das ganze Kommunikationsteam des Weißen Hauses feuern, beeindruckte den Journalisten nicht sonderlich. Warum auch? Schließlich redete sich Scaramucci immer mehr in Rage: "Ich habe die Leute darum gebeten, für einige Zeit keine Dinge mehr zu leaken und die können einfach nicht anders", sagte er laut Lizza.

Und weil zuvor die Kollegen des Insider-Blatts "Politico" über den neuen Mann, seine Einkünfte und seine frühere Tätigkeit als Hedgefonds-Manager berichtet hatten, schimpfte Scaramucci am Telefon: "Ich habe nichts falsch gemacht in meiner finanziellen Offenlegung, die werden sich also selbst f...cken müssen."

Es wurde noch schlimmer

In seinem nächtlichen Telefonat machte der neue Kommunikationsdirektor, der nur dem Präsidenten gegenüber verantwortlich ist, aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er hat Trumps Stabschef Reince Priebus (45) als heimlichen Informanten in Verdacht, wörtlich: "Reince ist ein verf...ckter paranoider Schizophrener, ein Paranoider." Er habe das Abendessen mit Trump boykottieren wollen, aus Angst, Bill Shine könne einen (oder seinen) Job im Weißen Haus bekommen. Er, Scaramucci rechne damit, dass Priebus bald zurücktreten werde.

Dann gab Scaramucci auch noch Trumps Chefideologen einen mit. Er sei nicht wie Stephen Bannon (63) und so weiter. "Ich bin nicht hier, um meine eigene Marke auf der verf...ckten Stärke des Präsidenten aufzubauen. Ich bin hier, um dem Land zu dienen." Scaramucci beendete das nächtliche Telefonat mit den Worten: "Ich muss jetzt gehen, weil ich anfangen muss, ein bisschen Mist zu twittern, um diesen Kerl verrückt zu machen."

Doktor und Harvard-Absolvent

Diese Sätze, die anmuten wie aus einer politischen Variante des legendären amerikanischen Klapsmühlen-Dramas "Einer flog über das Kuckucksnest", sind Realität im Washington des Sommers 2017. Und der Mann, der sie wie ein Bierkutscher formulierte, ist Harvard-Absolvent und Doktor der Rechtswissenschaften.

Anthony Scaramucci wurde zwar als Sohn eines Bauarbeiters in Long Island (New York) geboren, doch er fühlte sich an der Wall Street zu Hause. Er arbeitete unter anderem sehr erfolgreich für die Finanzhäuser Lehman Brothers und Goldman Sachs, bevor er seinen Fonds SkyBridge Capital auflegte und steinreich wurde. Wie sein Chef Donald Trump liebt er die Show, vor allem wenn sie sich ausschließlich um ihn dreht. So ließ er sich in seiner Villa in Long Island vom TV-Sender CNBC unter einer riesigen goldenen Harfe filmen.

Scaramucci steht zu seinen italienischen Wurzeln, oft genug auf geschmacklose Art und Weise. Vor jüdischen Investoren sagte er einmal: "Sie sollten immer bei einem Italiener investieren. Diese mögen Bargeld und stehlen, aber ein Italiener stiehlt immer nur so viel, wie in den Kofferraum seines Autos passt."

Er wechselt die Lager

Ursprünglich hatte er mit Donald Trump herzlich wenig am Hut, im Gegenteil: Zunächst bekannte er sich via Twitter als Unterstützer von Barack Obama, später von Hillary Clinton, über die er 2012 twitterte: "Sie ist unglaublich kompetent." Drei Jahre später dann sein fliegender Wechsel zu den Republikanern, wo er zunächst für Jeb Bush als Präsidentschaftskandidaten eintrat.

Donald Trump nannte er noch im August 2015 einen "politischen Nichtsnutz", der eine "anti-amerikanische Rhetorik" pflege. Er spalte das Land, sei unamerikanisch und die Art und Weise, wie er über Frauen rede, missfalle ihm ebenfalls. Der Kandidat Trump werde seinen Wahlkampf noch vor Thanksgiving beenden. Es kam ganz anders. Scaramucci löschte seine alten Ansichten bei Twitter, auch seine Bekenntnisse für das Recht auf Abtreibung, für Kontrollen beim Schusswaffenverkauf und eine allgemeine Krankenversicherung. Er hatte sich zum glühenden Verehrer Trumps gewandelt und wollte auf seiner Welle mitschwimmen, doch anfangs hatten Bannon und Priebus massiv etwas dagegen.

Nun hat er es doch noch geschafft - als Sprachrohr seines Präsidenten. Für die "Neue Zürcher Zeitung" ist und bleibt er allerdings "ein ehemaliger Hedge-Funds-Manager, Wall-Street-Rabauke und Showman. Als Scaramucci seine erste Pressekonferenz beendete, hob er seine Hand zu seinen Lippen, küsste seine Finger und trat vom Podium. Selbstzweifel kennt dieser Mann nicht."

Gut möglich, dass seinem Chef Donald Trump die unverschämte Volte, mit der Scaramucci seine obszönen Ausfälle gegen die eigenen Leute zu entschuldigen versuchte, gefallen hat. Seine Beleidigungen gegenüber Priebus und Bannon sind längst gelöscht. Er habe nun mal eine "farbenfrohe Sprache", twitterte er nun. Er wolle "in diesem Forum in Zukunft darauf verzichten, aber nicht den leidenschaftlichen Kampf für die Agenda von Donald Trump aufgeben." Das wird der Chef gern gelesen haben, doch Amerika weiß sicherlich nicht, ob es lachen oder weinen soll.

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.