Andrea Sawatzki: "Wir Frauen verkaufen uns unter Wert"

"Tief durchatmen, die Familie kommt" heißt das neue Buch von Andrea Sawatzki. Die Schauspielerin und Autorin beweist darin ihr komödiantisches Talent: Ein aus dem Ruder gelaufenes Familienfest bringt die Hauptfigur Gundula zur Verzweiflung.
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Das neue Buch von Andrea Sawatzki "Tief durchatmen, die Familie kommt"
SpotOn / Onlineredaktion Das neue Buch von Andrea Sawatzki "Tief durchatmen, die Familie kommt"

"Tief durchatmen, die Familie kommt" heißt das neue Buch von Andrea Sawatzki. Die Schauspielerin und Autorin beweist darin ihr komödiantisches Talent: Ein aus dem Ruder gelaufenes Familienfest bringt die Hauptfigur Gundula zur Verzweiflung. Mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht Sawatzki über mangelndes Selbstwertgefühl, Alzheimer und ihr eigenes Weihnachtsfest.

Berlin: Gundula hat zu Weihnachten mal wieder die ganze Familie am Hals, ihr Mann und ihre Kinder sind auch keine große Hilfe - das ganze Fest läuft am Ende völlig aus dem Ruder: Mit "Tief durchatmen, die Familie kommt" (Piper, 224 Seiten, 17,99 Euro) beweist die 1963 geborene Schauspielerin Andrea Sawatzki ihr komödiantisches Talent. Mit der Nachrichtenagentur spot on news sprach die 50-Jährige über das Buch, mangelndes Selbstwertgefühl und über die Alzheimer-Krankheit, an der auch ihr Vater litt.

"Tief durchatmen, die Familie kommt" von Andrea Sawatzki gibt es hier

Ihr erster Roman "Ein allzu braves Mädchen" war ein großer Erfolg, jetzt ist mit "Tief durchatmen, die Familie kommt" Ihr nächstes Buch erschienen. Wie wichtig ist das Schreiben inzwischen in Ihrem Leben?

Andrea Sawatzki: Ich genieße es außerordentlich, mich ab und zu in eine andere Welt hineinzubeamen und die Menschen, die mir dort begegnen, ein Stück weit zu begleiten. Dieser Vorgang hat für mich ziemlich viel mit der Arbeit als Schauspielerin zu tun. Auch da muss ich mich gut in eine Figur hineindenken können, um ihr Handeln zu verstehen. Für mich hängen diese Berufe, also das Schreiben und das Spielen, eng zusammen. Sie ergänzen sich praktisch und ich glaube, dass ich auch als Schauspielerin vom Schreiben profitieren kann. Das Schreiben schärft den Blick. Man sieht sich die Menschen um sich herum genauer an und hört besser hin, was sie sagen. Ich sammle quasi pausenlos. Das ist spannend!

Nach einem Kriminalroman haben Sie jetzt eine Komödie geschrieben. Was ist Ihnen leichter von der Hand gegangen?

Sawatzki: Wahrscheinlich die Komödie. Ich liebe die komischen Momente im Leben. Oft entstehen sie zwangsläufig durch kleinere Katastrophen. Und das Leben ist ja voll davon, man muss nur die Augen offenhalten. Ich liebe es, über Missgeschicke lachen zu können. Das ist neu. Das konnte ich früher überhaupt nicht.

In Ihrem neuen Buch geht es um Gundula, die an Weihnachten mal wieder die ganze Familie zu Gast hat. Die ganze Sache läuft schließlich völlig aus dem Ruder. Was hat Sie dazu bewogen, ein Buch über ein außer Kontrolle geratenes Familienfest zu schreiben?

Sawatzki: So eine Familie ist eine Goldgrube. Wenn man die richtig zusammensetzt, bebt es an allen Ecken und Enden. Gundula ist die einzige, die versucht, dieses Chaos menschlicher Eitelkeiten und Abgründe zu sortieren und zu schlichten, auch wenn sie von sich behauptet, dass sie das überhaupt nicht kann. Dieses mangelnde Selbstwertgefühl hat mich interessiert, weil ich mich darin auch wiederfinde. Wir Frauen sind oft viel zu perfektionistisch und übersehen, dass wir eigentlich ziemlich viel auf die Reihe bringen. Wir verkaufen uns unter Wert. Und Gundula macht das, finde ich, sehr süß vor, dass sie, ohne es selbst zu bemerken, das ganze Chaos um sich her zusammenhält. Ich selbst habe solch große Familienfeste leider nie erlebt. Das entspringt allein meiner Phantasie.

Gundula und ihr Mann Gerald kämpfen in dem Buch mit den Problemen einer in die Jahre gekommenen Beziehung. Ist es Ihrer Meinung nach ein Problem unserer Zeit, dass sich zu viele Paare zu früh aufgeben?

Sawatzki: Ja, das glaube ich schon. Unser Leben ist kaum noch zu bremsen, wir rennen ständig irgendetwas hinterher. Jeder möchte erfolgreich sein und möglichst selbständig. Und natürlich bleibt da auch das ein oder andere Gespräch zu Hause auf der Strecke. Wir Menschen sind keine Maschinen. Beziehungen, die wir führen, die wir mal aus Liebe eingegangen sind, müssen aber liebevoll gepflegt werden. Das funktioniert nicht von allein. Und dieser Arbeitsprozess wird von einigen Paaren als störend empfunden, weil er das Leben entschleunigt. Gundula und Gerald haben das erkannt, ob sie es schaffen, wird das nächste Buch zeigen. Da liegt noch das ein oder andere Feuerwerk im Keller...

Gundula ist dreifache Mutter und Hausfrau, ihr Mann Finanzbeamter. Ihr Bruder schreibt erfolglos Ratgeber, zusammen mit seiner aus dem Leim gegangenen, religiösen Frau leidet er unter den negativen Schwingungen in der Familie. Geralds Mutter ist die Ex-Geliebte von Gundulas Vater, schaut zu tief ins Glas und geht auch im fortgeschrittenen Alter noch auf Männerjagd. Haben einige der Figuren aus Ihrem Buch reale Vorbilder?

Sawatzki: Die Figuren sind alle erfunden, auch wenn sie mich inzwischen beinah leibhaftig anschauen und ich sie sehr lange und gut zu kennen glaube. Die einzig realen Vorbilder sind unsere Dogge Gustav für die Dogge Gulliver und unsere Mopsdame Coco für den Dackel Othello.

Wie schon in Ihrem ersten Buch spielt auch das Thema Alzheimer wieder eine Rolle. Ist das Schreiben auch eine Art Therapie für Sie?

Sawatzki: Therapie ist ein zu großes Wort. Aber es tut sicher gut, sich mit Dingen, die einen zeitlebens beschäftigt haben, auseinanderzusetzen. Mit dieser Krankheit dieses Mal auf humorvolle Weise umzugehen, hat mir sehr gefallen. Das nimmt ihr den Schrecken und die Kraft. Und das ist sicher auch hilfreich für die Leser, die ähnliches im eigenen Bekannten- oder Familienkreis durchmachen. Wobei die Gespräche mit den Lesern des ersten Buchs auf meinen zahlreichen Lesereisen auch ungemein spannend und eventuell tröstlich waren. Da schildere ich die Krankheit ziemlich schonungslos und war selbst überrascht davon, wie viele Menschen sich mit dem Thema Alzheimer beschäftigen.

Welche Bücher lesen Sie selbst am liebsten?

Sawatzki: Ich war immer schon ein großer Fan von Alice Munro, deshalb freue ich mich umso mehr über die Auszeichnung mit dem Literatur-Nobelpreis! Dann verehre ich Joan Didion. Raymond Carvers Kurzgeschichten. Aber auch D.H. Lawrence, Fallada, neulich Remarque und jetzt gerade einen Thriller der jungen irischen Autorin Tana French... Ich muss gestehen, ich bin nicht wirklich festgelegt, ich lese viel und gern.

Boris Beckers Buch hat für viele Schlagzeilen gesorgt - lesen Sie Autobiografien Ihrer prominenten Kollegen und könnten Sie sich vorstellen, selbst eine rauszubringen?

Sawatzki: Nein, das interessiert mich nicht. Ausnahmen gibt es, zum Beispiel fand ich die Autobiografie Marcel Reich-Ranickis sehr bewegend. Aber das sind Ausnahmen. Und was mich selbst betrifft: Mein Leben ist mein Geheimnis.

Das nächste Weihnachtsfest steht schon vor der Tür: Wissen Sie schon, wie Sie dieses Jahr feiern?

Sawatzki: Ja, wie immer. In kleinem Kreis. Kinder, Oma, Tannenbaum, die Hunde, die alles durcheinanderbringen, Freunde, die vorbeikommen, um anzustoßen, viel Lichterglanz und Pomp und Kitsch, tolles Essen, mindestens drei Gänge und guten Wein...

Gundula leidet unter dem Musikgeschmack ihres Mannes, der Schlager-Fan ist. Welche Art von Musik können Sie persönlich am wenigsten leiden?

Sawatzki: Schlager.

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