"Am nächsten Tag gekündigt": TV-Koch spricht öffentlich über Missstände in der Sterne-Küche

Tim Mälzer arbeitete von 1995 bis 1996 im Ritz Hotel in London. Was er dort miterleben musste, ist nur schwer auszuhalten. Der beliebte TV-Koch packt jetzt über Misshandlung, Rassismus und Gewalt am Arbeitsplatz aus – und erklärt, wann er selbst die Reißleine zog.
Tim Mälzer über Erfahrungen in der Sterne-Küche: "Wettbewerb, wer die härteste Drecksau ist"
In der Küche eines feinen Sterne-Restaurants kann es ziemlich furchtbar hergehen. Tim Mälzer gibt in der Fernsehsendung "deep und deutlich" einen Einblick hinter die Kulissen des Ritz der Neunziger – und auch in seine Gefühlswelt. In der britischen Hauptstadt machte er schlimme Erfahrungen.
Ruhe und vornehme Zurückhaltung herrschten nicht in der Küche, wie Mälzer schildert: "Es war damals in der Küche ein Wettbewerb, wer die härteste Drecksau ist." Wie sich das äußerte? Mälzer schockiert: "Wer misshandelt mehr, wer erniedrigt mehr, wer beleidigt mehr, wer schlägt härter zu, wer prügelt mehr und wer brennt mehr."
"Ich war selber dabei": TV-Koch wurde Zeuge von körperlicher Gewalt in der Küche
Der Hamburger wurde sogar mehrfach Zeuge von körperlicher Gewalt. So erzählt Mälzer von einer Situation, in der ein Kollege neben ihm "mit einem heißen Messer verbrannt" wurde, nur "weil er die Stopfleber nicht schnell genug geschält hat". Solch ein überzogenes und brutales Verhalten war offenbar kein Einzelfall.
Tim Mälzer berichtet auch von einem weiteren Fall. "Ich war selber dabei, wie jemand in der Küche von sechs Leuten zusammengetreten wurde, weil er uns so massiv auf den Sack ging", gibt er zu. Er selbst sei "relativ harmlos" gewesen, weiß aber auch: "Ich war ein Mittäter, allein weil ich zugeguckt habe."
"Wir waren alles": Tim Mälzer spricht von "unterirdischen" Arbeitsbedingungen im Ritz
Körperliche Gewalt sei nicht das einzige Problem hinter den Kulissen des Sterne-Lokals gewesen. "Wir waren rassistisch, sexistisch, wir waren alles", packt der TV-Koch weiter aus. Es sei "unterirdisch" gewesen, wie mit den Schwächsten in der Küche umgegangen wurde: "Geistig minderbemittelte Leute sind wir physisch angegangen."
Irgendwann musste Tim Mälzer die Reißleine ziehen. Doch was war der Auslöser? Der 53-Jährige erzählte von der ausschlaggebenden Situation. Er und seine Ritz-Kollegen hätten damals die Ehre gehabt, für die Königsfamilie zu kochen. Tagelang sei hart gearbeitet worden. Ein Lob habe es aber nie dafür gegeben.
"Ich habe dann gekündigt": Der Hamburger Koch zieht nach royalem Dinner die Reißleine
Stattdessen wurde die Küchen-Crew "zur Sau gemacht", eröffnet Tim Mälzer. Außerdem habe der "Pen Pusher" den Küchenchef so erniedrigt, "dass er auf dem Boden zusammengebrochen ist und sich eingenässt hat". Dies sei der Auslöser für Mälzers Küchen-Aus gewesen: "Dann bin ich am nächsten Tag zum Küchenchef gegangen und habe gekündigt."
Trotz der schrecklichen Arbeitsbedingungen blickt der 53-Jährige heute dankbar auf die Tätigkeit in London zurück: "Missen möchte ich die Zeit nicht." Mälzer konnte im Ritz viel lernen – über sich und seinen künftigen Karriereweg. "Daraufhin konnte ich die Entscheidung treffen, so nicht zu werden", so Mälzer.
Guter Chef mit gewisser Härte: So sieht sich Tim Mälzer als Küchenchef selbst
Heute sehe er sich als guten Chef – er gebe sich zumindest Mühe, erklärt Mälzer. Der 53-Jährige versuche sehr individuell auf die persönlichen Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden eingehen. Dennoch sei Tim Mälzer eine gewisse Härte wichtig: "Ich bin auch kein Freund von Vier-Tage-Woche, Bierpong und gemeinsame Freizeit."