Allein unter Poloshirts: Mein erstes Mal P1

Für die erste Folge der neuen Leute-Serie "Mein erstes Mal" war ein AZ-Reporter in Münchens Nobeldisco und wundert sich über fehlende Flavios, wahre Klischees und strenge Türsteher
Mein klappriges Call-A-Bike parkt außer Sichtweite, die Turnschuhe vom Nachmittag habe ich gegen schwarze Deichmann-Sonderangebote getauscht, trage statt T-Shirt ein ordentliches Hemd und statt Nivea ein gutes Parfum. Es soll ja mein erstes Mal werden. Im P1. Für die AZ. Ankunft an der Tür, wo mich ein Mann mit riesiger Brille empfängt.
Türsteher: Hab dich hier noch nie gesehen.
Ich: War auch noch nie hier.
Türsteher: Glaub ich dir sofort.
Ich: Ich stehe aber auf der Gästeliste.
Türsteher: Nein.
Ich: Doch.
Türsteher: Nein.
Ich: Doch, hab mich heute Nachmittag telefonisch angemeldet. Die haben gesagt, ich stehe auf der Gästeliste.
Türsteher: Stehste nicht.
Ich: Ich bin für die AZ hier.
Türsteher: Das sagen alle.
Ich: Hier meine Karte.
Türsteher: Sagt mir nichts.
Ich: Hm. (rufe unsere Leute-Reporterin Kimberly Hoppe an, es klingelt, sie geht nicht ran)
Türsteher: Hättest dich nicht wenigstens etwas in Schale werfen können?
Ich: So bin ich halt.
Türsteher: Ja. (Als ich gehen will, nimmt er die Absperrung doch noch beiseite und deutet mit einer kleinen Geste an, dass ich passieren dürfe; hasserfüllte Blicke aus der langen Warteschlange begleiten mich).
Smalltalk über Autos, Wodkasorten und das iPhone 3GS
Erster Eindruck: Die Gäste sind jünger als erwartet. Ich hatte eher den Typus eines Flavio Briatore im Kopf, reife Männer in weißen Anzügen, die jungen Hasen Freigetränke spendieren – in der Hoffnung, später noch eine Runde Mümmeln zu dürfen.
Stattdessen bin ich einer der Ältesten, und das mit 30. Die blühende Sofalandschaft draußen wird von Jahrgang 1988 dominiert. Jüngelchen aus Grünwald, schlimmstenfalls aus Fürstenfeldbruck, die tatsächlich rosafarbene Poloshirts mit hochgestelltem Kragen tragen! Manchmal stimmen Klischees eben doch.
Innen sieht’s eigentlich aus wie in einer normalen Disco. Getanzt wird aber vergleichsweise wenig – stattdessen gekonnt herumgestanden, über Autos, Wodkasorten und das iPhone 3GS gesmalltalkt.
Mix aus Sozialneid und Langeweile
Ich suche vergeblich nach Boris Becker und Oliver Kahn. Immerhin stoße ich fast mit Heidi Klums Topmodel Barbara Meier zusammen. Eine der Frauen, die hier echte Klasse ausstrahlen. Etliche andere wirken, nun ja, günstig. Im Gegensatz zu den Getränkepreisen. Bestellt sich ein Kerl eine Flasche Zielwasser für 1000 Euro, hat er gleich drei Sandys auf dem Hocker.
Mein Mix besteht aus Sozialneid und Langeweile. Erst als der DJ Songs von MJ auflegt, wird das Oanser offener. Alle singen, tanzen und moonwalken. Echt wahr: Der King of Pop hat nicht nur die Welt, sondern sogar das P1 ein bisschen menschlicher gemacht.
Timo Lokoschat
Nächste Woche lesen Sie: Mein erstes Mal Viagra