AfD-Vertreter in der ARD: Wie der "Hart aber fair"-Moderator die Entscheidung begründet

Nach den ersten Ausgaben "Hart aber fair" in neuem Kostüm spricht Louis Klamroth über die Änderungen der Sendung. Er erklärt, was er mit dem neuen Konzept erreichen möchte. Außerdem gibt er zu, dass nicht alle zufrieden sind.
von  Felicitas Breiteneicher
ARD und Louis Klamroth sprechen von Neustart und setzen auf ein neues "Hart aber fair"-Studio und Konzept.
ARD und Louis Klamroth sprechen von Neustart und setzen auf ein neues "Hart aber fair"-Studio und Konzept. © WDR/Julia Sellmann

Louis Klamroth übernahm vor etwas über einem Jahr die Moderation der ARD-Talkshow "Hart aber fair", die zuvor unter Leitung von Frank Plasberg stand. Seit Januar 2024 wird die Sendung zudem nicht mehr von Plasbergs Produktionsfirma produziert. Stattdessen hat eine andere Firma übernommen, an der Klamroth als Mitgesellschafter beteiligt ist. Parallel dazu ist die Sendung mit einem neuen Konzept gestartet. 

Frank Plasberg ist von "Hart aber fair"-Nachfolger Louis Klamroth enttäuscht 

Frank Plasberg moderierte "Hart aber fair" von 2001 bis 2022. Im vergangenen Dezember sagte er dem Medienmagazin "DWDL" über seinen Nachfolger Louis Klamroth: "Er will den Bruch. Er war von Anfang an so gut wie nie hier in der Firma. Das war für die Truppe neu und gleichzeitig verstörend, dass er offensichtlich die Distanz gesucht hat." Solch einen Charakter habe er bislang noch nicht getroffen. "Ich musste 66 Jahre alt werden, um einen vordergründig so freundlichen Menschen mit einer solchen Vorgehensweise kennenzulernen", meinte Plasberg kritisch.

"Da gibt es eine Lücke": Louis Klamroth spricht über das neue Konzept von "Hart aber fair"

Louis Klamroth äußert sich jetzt in einem Gespräch mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND) über die Moderation von "Hart aber fair". In dem Interview geht der 34-Jährige auf das neue Konzept der Sendung ein. Außerdem verrät er, welche Reaktionen von den Zuschauern er bekommt. Das neue Konzept der Sendung legt einen großen Fokus auf den Austausch zwischen Bürgern mit Politikern – ein Punkt, den der Moderator als relevant erachtet.

Louis Klamroth erklärt, warum er das für so wichtig hält: "Ich habe das Gefühl, dass die derzeitigen Debatten viele Menschen von Politik und medialen Diskursen entfremden. Leute ins Studio zu holen, die entweder betroffen sind oder aus einer anderen Perspektive als nur Politikerinnen und Politiker oder Experten über Themen sprechen können, kann da helfen. Meist sind die auch gute Experten, die uns lebensnah erzählen können, wie es wirklich ist. Das ist wichtig und da gibt es eine Lücke, die wir jetzt füllen."

Klamroth will Streit in seiner Sendung: "Es darf durchaus konfrontativ sein"

Er halte auch andere Formate, in denen detailliert über den Politikbetrieb in Berlin diskutiert wird, für gewinnbringend. Aber davon brauche es keine fünf Sendungen. Durch die Diskussionen, die zwischen Betroffenen und Experten entstehen, wird die Talkshow zudem deutlich konfrontativer als zuvor. "Es darf durchaus konfrontativ sein. Ich finde Streit nicht per se schlecht. Menschen sind müde von inszeniertem Streit, der nicht echt und authentisch ist", meint Klamroth zu dem Thema.

Außerdem macht er deutlich: "Ich glaube durchaus, dass es auch harte Diskussion braucht. Es sind einfach hochpolitische Zeiten, in denen es um viel geht." Es dürfe in seinen Augen durchaus Streit geben, "solange der gegenseitige Respekt noch da ist und er auf demokratischen Füßen stattfindet. Wenn alle durcheinander schreien, ist es Streit, der nicht funktioniert." Gerade in der Debatte um die AfD sieht Klamroth einen Vorteil in dem direkten Austausch.

AfD-Sprecher zu Gast in Talkshow: "Hart aber fair" soll "demokratische Debatten" ermöglichen

Louis Klamroth erklärt: "Die AfD wird von wahnsinnig vielen Menschen gewählt. Aber sie wird in drei Ländern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und bundesweit beobachtet. Das unterscheidet sie von allen anderen Parteien im Bundestag." Eine Sache werde jedoch oft missverstanden: "Eine Talksendung muss nicht den Parteienproporz im Bundestag abbilden. Wir sind kein Parallelparlament." Das Ziel der Talkshow sei vielmehr "demokratische Debatten zu ermöglichen." 

Also war in einer der letzten Sendungen ein Sprecher der AfD zu Gast. "Es hatten sich in den letzten Wochen und Monaten immer mehr führende Wirtschaftsvertreter und ‑vertreterinnen und Unternehmen zu Wort gemeldet, die gesagt haben 'Wir müssen klare Kante zeigen', und sich für Demokratie ausgesprochen haben und auch viele explizit gegen die AfD. Das ist etwas, was es in den letzten Jahren noch nicht so deutlich gab",  meint der Moderator im Gespräch.

Also wollte er, gemeinsam mit der Produktion, das Problem thematisieren: "Das auf den Schirm zu bringen, ist uns mit einer Hildegard Müller, einer der prominentesten und mächtigsten Vertreterinnen der Wirtschaft in Deutschland, in einer Konstellation mit dem wirtschaftspolitischen Sprecher der AfD gelungen. Es ist gut aufgegangen, weil es einen Erkenntnisgewinn gab." Auch er habe besser verstanden, was die AfD mit der deutschen Wirtschaft vorhat: "Das ist eine Dienstleistung auch für die Zuschauer."

Die Diskussion zwischen Experten oder Politikern und Bürgern soll mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit bringen
Die Diskussion zwischen Experten oder Politikern und Bürgern soll mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit bringen © © WDR/Oliver Ziebe

Louis Klamroth geht selbst auf die Straße: "Das hilft mir, die Debatten besser zu verstehen"

Klamroth weiß jedoch auch, man müsse aufpassen, Polittalks nicht "in ihren Möglichkeiten zu überhöhen, gerade in der medialen Rezension. Oftmals wird über eine 75 Minuten-Talkshow mehr geschrieben als über etliche Bundestagsdebatten." Er fügt hinzu: "Auch die beste Talkshow wird nicht eigenständig wettmachen können, was an Vertrauen in unsere Demokratie oder Qualitätsmedien verloren gegangen ist." Im besten Fall könne eine gute Talkshow dazu beitragen, "Vertrauen in Demokratie und Medien wiederherzustellen".

Aus diesem Grund habe er sich auch dafür entschieden, selbst auf die Straße zu gehen und mit den Menschen zu sprechen. Nur wenn er versteht, was in Deutschland "abgeht", sei er glaubwürdig für seine Zuschauer: "Ich finde es für mich einfach wichtig, auch rauszugehen aus dem Studio, auch mal nach Saale-Orla in Thüringen zu fahren oder zur Bauerndemo oder auf den Wagenknecht-Parteitag. Das hilft mir, die Debatten besser zu verstehen und als Moderator glaubwürdiger sagen zu können, dass ich ein bisschen eine Ahnung davon habe, wie es vor Ort ist."

So will "Hart aber fair" auch die jüngere Zielgruppe erreichen:  Es gibt eine "To go"-Version

Doch um Vertrauen glaubwürdig an die Bevölkerung zu bringen, muss auch jede Zielgruppe erreicht werden. Gerade die jüngeren Bürgerinnen und Bürger kamen in den letzten Jahren etwas zu kurz. Das soll sich ändern: Seit diesem Jahr gibt es die "Hart aber fair to go"-Version in der Mediathek. "Was wir da probieren, ist auf der einen Seite, ein Publikum für Polittalk zu begeistern, das kein lineares Fernsehen guckt und andere Sehgewohnheiten hat. Hier bekommt man das Wichtigste aus der linearen Sendung und noch so viel mehr Infos und meine Einordnung in komprimierter Form", erläutert Louis Klamroth.

Zudem könne das noch mehr Transparenz schaffen. Man wolle nämlich keinesfalls eine "Blackbox sein, wir sind öffentlich-rechtliches Fernsehen. Da muss transparent sein, wie wir arbeiten und warum wir bestimmte Dinge tun." 

"Was strafbar ist, zeige ich konsequent an": "Hart aber fair"-Moderator geht gegen Hate vor

All diese Änderungen sind nur möglich, da Louis Klamroth sich von Frank Plasbergs Produktionsfirma getrennt hat. Nach dem Wechsel habe sich die Sendung enorm verändert: "Sie sieht ja jetzt deutlich anders aus, funktioniert deutlich anders, hat ganz viele Elemente, die es vorher nicht gab. Die Gestaltungsmöglichkeit, die ich jetzt habe, ist sicher ein Stück größer, und das wollte ich." Doch wie kommt das neue Konzept bei den Zuschauern an?

Der Moderator gibt zu, dass es nicht nur positives Feedback gibt: "Ich kriege schon ordentlich viel Hass ab, aber auch sehr viel positive Kommentare. Was strafbar ist, zeige ich konsequent an, und der Rest verschwindet hinter einem Blockier-Button. Ich glaube, meine weiblichen Kolleginnen haben noch viel mehr mit solchen Kommentaren zu kämpfen als ich." Er ist sich aber auch bewusst, dass das eben der Preis ist, den er als Person des öffentlichen Lebens zahlt. 

Ob sich die Resonanz zu "Hart aber fair" noch ändern wird, wird sicherlich die Zeit zeigen. Klamroth kündigt schon jetzt an, er wolle mit überraschenden Debatten punkten. Allerdings: "Daneben wird uns dieses Jahr die Demokratiefrage extrem beschäftigen, alleine schon, weil wir nicht nur die Europawahl haben, sondern auch Kommunal- und Landtagswahlen, die extrem spannend sein werden." Klamroth, der mit Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer seit Jahren liiert ist, ergänzt zudem: "Die Klimafrage wird uns auch nicht loslassen, das ist klar."

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