Zwei Sieger in Israel - und der Frieden als Verlierer

JERUSALEM - Wahlen in Israel: Livni liegt vorne, doch der zweite Sieger, Ex-Premier Netanjahu, darf wohl die nächste Regierung anführen. Was der Rechtsruck für die Aussöhnung in Nahost bedeutet.
Deutlicher Rechtsruck in Israel: Bei den Knesset-Wahlen wurde die der politischen Mitte zugerechnete Kadima-Partei von Außenministerin Zipi Livni zwar mit 28 von 120 Sitzen knapp stärkste Fraktion, das rechte Lager um Ex-Premier Benjamin Netanjahu erzielte mit 65 Mandaten jedoch einen klaren Sieg. Die Mitte-Links-Parteien kommen nur auf 55 Sitze. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.
Wer wird Premierminister? Traditionell beauftragt der Präsident denjenigen Politiker mit der Regierungsbildung, der die besten Chancen hat, eine Mehrheit in der Knesset zustande zu bringen – selbst wenn seine Partei nicht stärkste Fraktion ist. Beobachter erwarten deshalb, dass Staatschef Schimon Peres den Zweitplatzierten Netanjahu zum Premier machen könnte. Dafür müsste „Bibi“ um den rechtsextremen Ultranationalisten Avigdor Liebermann buhlen, dessen Partei „Unser Haus Israel“ drittstärkste Fraktion wurde und der jetzt „Königsmacher“ spielen darf.
Was bedeutet das Wahlergebnis für den Friedensprozess? Wer auch immer demnächst Israel regiert – der Friedensprozess mit den Palästinensern dürfte dabei auf der Strecke bleiben. Die Mehrheitsverhältnisse in der Knesset sprechen nicht für territoriale Zugeständnisse. Auch ein Stopp der jüdischen Siedlungen im Westjordanland, den Palästinenserpräsident Abbas für die Fortsetzung der Friedensgespräche zur Bedingung erhoben hat, gilt als unwahrscheinlich. Netanjahu hat vielmehr den Siedlungsausbau angekündigt. Während seiner Zeit als Premier von 1996 bis 1999 hatte er bereits den Friedensprozess von Oslo auf Eis gelegt.
Welche Rolle spielen die USA? Von der neuen US-Regierung hängt ab, ob der Friedensprozess noch eine kleine Chance hat. „Wenn sich Obama einmischen will, können wir in kurzer Zeit einen Friedensvertrag haben“, sagte Israels Ex-Botschafter in Deutschland, Avi Primor. „Dann könnte sich alles ändern, weil wir derartig von Amerika abhängig sind.“ Allerdings bleibt Primor pessimistisch – habe Obama doch in Afghanistan, Iran und Irak Probleme zu lösen, die „vielleicht dringender“ seien.
Was sagt die arabische Welt? Die wichtigsten Leitartikler kommentierten den Rechtsruck mit Sorge. „Die Israelis haben Krieg und Extremismus gewählt“, schrieb etwa die syrische Regierungszeitung. Der einzige Unterschied zwischen Livni und Netanjahu sei, dass mit der Außenministerin „die Illusion eines Friedensprozesses für ein bis zwei Jahre aufrechterhalten“ werden könne.
Wie reagiert Deutschland? Die Bundesregierung kündigte an, „die vertrauensvolle Zusammenarbeit auch mit der künftigen israelischen Regierung fortsetzen“ zu wollen. SPD-Geschäftsführer Oppermann witzelte mit Blick auf Livni und deren Amtskollegen Steinmeier: „Das Ergebnis in Israel zeigt: Außenminister können Wahlen gewinnen."
jox