Zwei Maß Bier für alle
MÜNCHEN An Bayerns Tankstellen darf nach 20 Uhr wieder Alkohol getankt werden. Aber nur zwei Maß Bier pro Person. Dafür aber von allen: von Autofahrern, Radlern und Fußgängern. Darauf einigten sich am Montagabend Tankstellenbetreiber und Sozialministerin Christine Haderthauer. Zwei Maß Bier haben in Bayern ja schon Tradition: Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) fand die während seiner Amtszeit für Autofahrer am Steuer ganz in Ordnung – und sorgte damit bundesweit für Spott und Schlagzeilen.
Sozialministerin Christine Haderthauer versucht schon eine ganze Weile, das Thema Tankstellen und Alkohol zu regeln. Erst mit Vollzugshinweisen. Als die scheiterten, mit einer freiwilligen Vereinbarung, doch auch die hatte keinen Bestand. Die ganze Problematik rührt daher, dass Bayern kein eigenes Ladenschlussgesetz hat .
Deswegen gilt hier noch das alte Bundesladenschlussgesetz. Nach dem darf an Tankstellen nach 20 Uhr und an Sonntagen nur „Reisebedarf“ verkauft werden und das in „kleineren Mengen“. Also ordnete die Sozialministerin an, dass sich Autofahrer an Tankstellen mit Alkohol versorgen dürfen. Radler und Fußgänger aber leer ausgehen.
„In jedem Fall hat der Vollzug des Bundesladenschlussgesetzes in Bayern, wie jedes Verwaltungshandeln, verhältnismäßig und lebensnah zu erscheinen“, schrieb sie an alle Gemeinden, Landratsämter und Bezirksregierungen. Und erntete damit nur Spott.
Auch die „kleinen Mengen“ , die an Alkohol verkauft werden dürfen, setzte das Sozialministerium fest. Bei einem Getränk bis zu acht Prozent Alkoholgehalt, wie Bier: zwei Liter pro Person. Hat das Getränk zwischen acht und 14 Prozent: einen Liter. Und bei Hochprozentigem wie Schnaps: 0,1 Liter.
Das allerdings ist kein Lex Bayern. Die Sozialministerin reagierte damit auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 8 C 50.09), das diese Menge bestätigt hat. Auslöser dafür war die Stadt Frankenthal in Rheinland-Pfalz. Sie hatte den Alkoholverkauf drastisch eingeschränkt, um gegen Saufgelage anzugehen. Tankstellenbetreiber hätten dort Schnaps zu Schnäppchenpreisen verschleudert. Die Pfälzer bekamen vor dem höchsten Gericht recht.
Die höchstrichterliche Beschränkung auf zwei Maß Bier steht also nicht zur Diskussion. Am Ende ging es nur noch darum, ob künftig alle zwei Liter Bier bekommen oder nur noch, wer hinterm Steuer sitzt und davonbraust.
Ministerpräsident Horst Seehofer kassierte das Verbot für Radler und Fußgänger ein. Haderthauer organisierte einen „Biergipfel“ mit dem Ergebnis, dass sich die Tankstellen ein totales Alkoholverbot auferlegen. Der wurde gekippt, weil die großen Tankstellen-Verbände fehlten und auch die FDP mitreden wollte.
Nach monatelangem Streit einigten sich die Branchenvertreter nun mit Haderthauer, dass Autofahrer, Radler und Fußgeher gleichbehandelt werden. Und dass jede Tankstelle selber entscheiden kann, ob sie Alkohol verkauft oder nicht.
Der Mineralölwirtschaftsverband WMV, dem die großen Konzerne wie Shell, BP, Aral, Esso und OMV angehören, will an seine Tankstellen jedenfalls keine Empfehlung für ein Alkohol-Verbot geben. Sein Hauptgeschäftsführer Klaus Picard: „Die Tankstellen sind nicht die Ursache für gesellschaftliche Probleme im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol. Ein Verbot wäre nur Symbolpolitik.“
So regelt es das Ladenschlussgesetz:
Dass es überhaupt so viel Chaos um den Verkauf an Tankstellen gibt, liegt an einer bayerischen Besonderheit: Als einziges Bundesland hat Bayern noch kein eigenes Ladenschlussgesetz, es gilt das alte Bundesladenschutzgesetz. Darin steht, dass an Tankstellen nach 20 Uhr und sonntags nur „Reisebedarf“ verkauft werden darf.
Ähnlich strenge Regeln – mit Öffnungszeiten an Werktagen von 6 bis 20 Uhr und Verkaufsverbot an Sonn- und Feiertagen – hat sonst nur das Saarland. In den meisten Bundesländern darf an Werktagen 24 Stunden geöffnet werden.
Ein neues Gesetz könnte das Tankstellen-Dilemma lösen – doch die CSU sperrt sich dagegen. Schon 2006 war sie mit dem Versuch gescheitert, den Ladenschluss zu reformieren. In der Fraktion standen sich am Ende 51 zu 51 Stimmen gegenüber. Ein „Trauma“, an dem sich der Koalitionspartner FDP bis heute die Zähne ausbeißt. Sie fordert weiterhin die Freigabe der Ladenöffnungszeiten.