Zustimmung zu Atomkurs der FDP
Die FDP ringt nach dem Wahldebakel in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz um eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung. Ein Thema: die Atomenergie. Die Partei schart sich hinter Generalsekretär Lindner, der vorgeprescht ist.
Berlin – Der Atomschwenk von FDP-Generalsekretär Christian Lindner zur dauerhaften Abschaltung alter Kernkraftwerke findet in der FDP zunehmend Anhänger. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und NRW-Landeschef Daniel Bahr unterstützen die Festlegung Lindners auf die dauerhafte Abschaltung von acht alten Atommeilern. Auch die CDU hält einen beschleunigten Atomausstieg für machbar.
„Die Koalitionsspitzen sind sich im Ziel völlig einig: Es geht um einen beschleunigten Ausstieg. Wichtige Details sind noch zu klären“, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe der Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwoch). Lindner hatte mit seinem überraschenden Vorstoß, die acht derzeit abgeschalteten Atomkraftwerke unter keinen Umständen wieder ans Netz gehen zu lassen, für Widerspruch in der Koalition gesorgt.
Gesundheitsminister Philipp Rösler hält den Lindner-Vorschlag zunächst nur für einen „wichtigen Diskussionspunkt“. Er will an dem Beschluss der schwarz-gelben Koalition festhalten, erst nach einem dreimonatigen Moratorium endgültig über den Atomkurs zu entscheiden, sagte Rösler der „Neuen Presse“ in Hannover (Mittwoch).
Leutheusser-Schnarrenberger sagte der „Mittelbayerischen Zeitung“ in Regensburg (Donnerstag) dagegen: „Lindner ist in dieser Frage nicht vorgeprescht. Das ist ganz klar die Absicht.“ Bahr vertrat ebenfalls diese Position in Zeitung „Die Welt“ (Mittwoch).
Der sächsische FDP-Partei- und Fraktionschef Holger Zastrow warnte dagegen die Liberalen vor einem „linksökologischen Kurs“. Der in Dresden erscheinenden „Sächsischen Zeitung“ (Mittwoch) sagte er: „Wir sollten aufhören, unsere eigenen Wähler zu verwirren. Wenn wir als FDP nur der Mehrheitsmeinung hinterherrennen, dann kommt das einem Todesurteil gleich.“
Die Atomdebatte ist Teil der inhaltlichen und personellen Neuausrichtung der FDP, die nach den schweren Wahlniederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz von der Parteiführung angestrebt wird. Offen ist dabei vor allem auch, wie stark die Spitze der Liberalen beim Wahlparteitag Mitte Mai in Rostock erneuert wird. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch) sagte Rösler zum Gesamtzustand der FDP : „Ich denke, dass wir uns inhaltlich breiter aufstellen müssen.“
Der bei den Liberalen sehr beliebte Rösler wird immer wieder als kommender FDP-Vorsitzender gehandelt. Der frühere FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum sieht seine Partei in einer „Existenzkrise“. „Es droht eine Veränderung des deutschen Parteiensystems. Die FDP droht an den Rand geschoben zu werden“, sagte er im ARD-„Morgenmagazin“.
Die Grünen „verdrängen die FDP als traditionell liberale Partei, ohne so konsequent liberal zu sein“, sagte Baum. Im wöchentlichen Wahltrend von „Stern“ und RTL, der noch vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erhoben wurde, verbesserten sich die Grünen um einen Punkt auf 21 Prozent.
Baum warf Parteichef Guido Westerwelle vor, die FDP nicht neu orientiert zu haben: „Es ist nicht nur ein Problem Westerwelle, es ist auch ein Problem Westerwelle.“ Der Vorsitzende der saarländischen FDP-Landtagsfraktion, Christian Schmitt, forderte Westerwelle auf, sein Außenminister-Amt abzugeben und als Parteichef auch den Fraktionsvorsitz zu übernehmen. Die Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz verlangten den vollständigen Rückzug Westerwelles.