Zum Rücktritt von Dieter Althaus: Zweimal verloren
Es ist die dritte ganz schlechte Nachricht in dieser Woche für Bundeskanzlerin Angela Merkel: Nach den desaströsen Wahlausgängen im Saarland und in Thüringen am Sonntag folgt nun Paukenschlag Nummer drei. Dieter Althaus wirft hin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel stets loyaler Statthalter Dieter Althaus wirft hin: „Mit sofortiger Wirkung trete ich als Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und als Landesvorsitzender der CDU Thüringen zurück“, heißt es am späten Vormittag in einer dürren Mitteilung aus der Staatskanzlei. Aus und vorbei – und jetzt?
Dass es eng wird, hatte sich schon abgezeichnet, als es zuletzt einmütige Solidaritätsadressen aus dem Landesvorstand gab. Wenn so etwas nötig ist, dann ist in der Politik stets Feuer am Dach. Gleichzeitig mehrten sich aus der zweiten Reihe die Rücktrittsforderungen an den Wahlverlierer. Als allseits schon Ausschau nach dem Königsmörder gehalten wurde, zog der taumelnde Regent die Notbremse – um wenigstens den Anschein eines Abtritts aus freien Stücken zu erwecken.
Doch in Wahrheit ist der 51-Jährige spätestens seit Sonntag, 18 Uhr, ein Getriebener. Das verzwickte Wahlergebnis für den Thüringer Landtag lässt nur zwei Möglichkeiten zu: Rot-Rot (eventuell unter Einschluss der Grünen) oder Schwarz-Rot. Das scheint Althaus zwar zunächst eine Machtperspektive zu lassen – als Ministerpräsident einer Großen Koalition. Doch in Wahrheit gibt es diese Option von Anfang an nicht. Denn aus der SPD wird schnell deutlich, dass ein Bündnis unter Führung Althaus’ nicht in Frage kommt.
Seitdem im Wahlkampf-Endspurt die Auseinandersetzung sehr persönlich wurde, scheidet für SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie eine Kooperation mit Althaus aus. Und Matschie hat zwar selbst für SPD-Verhältnisse als drittstärkste Kraft nur schlappe 18,5 Prozent der Wähler hinter sich gebracht, aber dennoch eine starke Stellung: Ohne die SPD geht in Thüringen arithmetisch gesehen nichts. Je klarer der CDU wird, dass mit Althaus an der Spitze nur der Gang in die Opposition bleibt, desto klarer wird: Sein Schicksal ist besiegelt, er muss gehen, ob von selbst oder durch einen Putsch .
Als Althaus das klar wird, fällt er eine einsame Entscheidung: Abtritt. Nur wenige sind eingeweiht, die Parteispitze ist nicht informiert. Aus Althaus’ Umfeld heißt es, dass Enttäuschung über fehlende Rückendeckung eine Rolle gespielt habe.
Für die wahlkämpfende Union ist das ein Schock – auch wenn Merkel versucht, zur Tagesordnung überzugehen: „Jetzt ist der Weg frei für die Sozialdemokraten, in ernsthafte Gespräche mit der CDU einzutreten“, sagt sie am Nachmittag bei einem Wahlkampfauftritt in Freiburg.
Doch wie es in Thüringen weitergeht, ist völlig offen. In der Union werden drei Namen für die Nachfolge gehandelt: Neben der aussichtsreichen Sozialministerin Christine Lieberknecht (51) auch die gleich alte Finanzministerin Birgit Diezel, die schon die Regierungsgeschäfte führte, als Althaus nach seinem Unfall ausfiel. Geringere Chancen dürfte der 37-jährige Fraktionschef Mike Mohring haben, ein politischer Ziehsohn von Althaus.
Doch es ist keineswegs ausgemacht, dass einer der Drei in die Verlegenheit kommt. Denn die Linke ködert die SPD mit einem verlockenden Angebot: dass sie, obwohl stärkerer Partner, bei einer rot-rot-grünen Koalition nicht unbedingt den Ministerpräsidenten stellen müsse. Das würde für SPD-Mann Matschie den Weg in die Staatskanzlei freimachen. Und als nur drittstärkster Kandidat Ministerpräsident werden – das gab es in Deutschland noch nie.
Frank Müller