Zum Leben zu wenig

MÜNCHEN/NÜRNBERG - Immer mehr Arbeiter in Deutschland beziehen Hartz IV obwohl sie einen Job haben. Der Grund: Es gibt immer mehr schlecht bezahlte Jobs in Deutschland. Der Monatslohn reicht deshalb vielen nicht mehr zum Leben aus
Sie haben im Aufschwung endlich wieder einen Job bekommen. Doch das, was sie dort verdienen, reicht vielen nicht zum Leben. Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland sind auf Hartz IV zusätzlich zum Lohn angewiesen. Das zeigen die neuesten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.
Demnach können viele Geringverdiener mit ihrem Nettoverdienst den Lebensunterhalt nicht mehr decken. Im ersten Halbjahr 2008 ist die Zahl der so genannten „Aufstocker“ – also Beschäftigte, die zusätzlich zum Lohn Arbeitslosengeld II erhalten – bundesweit um fast 30000 gestiegen.
Der Aufschwung habe zwar Langzeitarbeitslosen mehr Chancen am Arbeitsmarkt eröffnet, sagt Helmut Rudolf, Niedriglohn-Experte am Nürnberger Institut für Arbeitsmarktforschung. „Das Geld, das sie dort verdienen reicht aber oft nicht, um auf eigenen Füßen zu stehen.“
Selbst Alleinstehende kommen nicht mehr über die Runden
Hauptgrund dafür: Es gibt immer mehr niedrig bezahlte Jobs in Deutschland. „Die Löhne, die ehemalige ALG II-Empfänger bekommen, sind oft nicht mehr existenzsichernd“, stellt Klaus-Dieter Rückel fest, Chef der Nürnberger Arge, die Hartz IV-Empfänger betreut. Auch in Nürnberg ist die Zahl der „Aufstocker“ heuer um 600 auf 8400 gestiegen. Darunter seien beispielsweise schlecht bezahlte Zeitarbeiter oder Beschäftigte in typischen Billiglohnbranchen wie Gebäudereinigung oder Gastronomie, so Rückel.
Es gebe mittlerweile einen eigenen Niedriglohn-Arbeitsmarkt für Ex-Hartz IV-Empfänger, beobachtet er. Dort stiegen die Löhne auch im Aufschwung kaum, weil bei solchen einfachen Jobs, die Arbeitnehmer beliebig austauschbar seien. „Oft ist die Bezahlung so gering, dass selbst Alleinstehende nicht mehr über die Runden kommen.“
Auch in München ist die Zahl der Aufstocker gestiegen
Noch schwieriger ist es für Geringverdiener mit Frau und Kindern. Ihnen reichen sogar etwas bessere Löhne nicht zum Leben. „Vor allem, wenn man in einer vergleichweise teuren Stadt wie München wohnt“, sagt Ottmar Schader von der Münchner Arge. Auch in München ist die Zahl der Aufstocker zuletzt auf 8500 deutlich gestiegen. Arge-Sprecher Schade verweist jedoch darauf, dass gleichzeitig die Zahl der Hartz IV-Empfänger, die in München überhaupt wieder Arbeit finden, 2008 noch einmal zulegen werde – auf 11500.
A. Jalsovec