Zoff um Windpark in Altötting: Hubert Aiwanger schlägt Kompromiss vor

München – Nach den Plänen der Bayerischen Staatsregierung soll im Altöttinger und Burghauser Forst Süddeutschlands größter Wald-Windpark entstehen. Doch nach dem Widerstand zahlreicher Anwohner ist das Vorhaben durch einen Bürgerentscheid in Mehring vor wenigen Monaten stark ausgebremst worden. Jetzt kommt in der Streitfrage wieder Bewegung auf. Ein neuer Kompromiss von Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger liegt auf dem Tisch.
In dem Vorschlag kommt der Chef der Freien Wähler der Bevölkerung entgegen: Statt der ursprünglich 40 geplanten Windkraftanlagen sollen nur noch 29 Energieträger ans Netz gehen, heißt es in einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage der AZ. Der zufolge soll außerdem der Abstand zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung von 1000 auf 1200 Meter erhöht werden.
Erhöhte Abstände und weniger Windräder: Aiwanger wirbt bei Anwohnern für Umweltprojekt
Konkret sollen auf dem Grund der Gemeinde Mehring nach dem Bürgerentscheid im Januar alle zehn Anlagen wegfallen. Auch im rund elf Kilometer entfernten Haiming sollen zwei Windräder weniger gebaut werden.
Dafür soll in Marktl eines dazukommen. Nach der im Jahr 2027 geplanten Fertigstellung des Windparks sollen dort also insgesamt vier Energieträger in den Betrieb gehen.
Diese "merklichen Verbesserungen", wie es in einer Mitteilung des Energieministeriums heißt, hat Bayerns stellvertretender Ministerpräsident am vergangenen Mittwoch auch rund 200 Bürgern bei einer Versammlung in der Gemeinde Haiming präsentiert. "Das ist insgesamt ein sehr guter, bürgerfreundlicher Kompromiss, den ich empfehle anzunehmen", sagt Aiwanger danach. "Wir brauchen die Windenergieanlagen, um Strom vor Ort zu produzieren und die Energiewende auch im Chemiedreieck voranzutreiben."
"Großer Vorbehalt": Stimmungsbild ist in den anliegenden Gemeinden gespalten
Aiwanger könne zwar die Bedenken der Bevölkerung, die bisher keine Berührungspunkte mit der Windkraft hatten, nachvollziehen – die Erfahrung aus anderen Regionen zeige allerdings auch, dass sich die anfängliche Verunsicherung später teilweise auch in Zustimmung wandelt.
Wie die Bürger auf den Kompromiss reagieren? "Ich hatte das Gefühl, dass sich eine Mehrheit vorstellen kann, diesen", so Aiwangers Einschätzung.

Trotzdem ist das Stimmungsbild in den sieben umliegenden Gemeinden bisher nicht einheitlich. Der Bürgermeister der Gemeinde Haiming, Wolfgang Beier (CSU/AWG), befürwortet, dass das Energieministerium den Plan nun an den Bedürfnissen der Bürger ausrichtet. Allerdings ständen die Windkraftanlagen auf Haiminger Gemeindegebiet, "immer noch unter einem großen Vorbehalt", sagt der Ortsvorsteher zur AZ.
Es gebe Klärungsbedarf bei naturschutzrechtlichen, waldökologischen und logistischen Aspekten. "Finale Standorte stehen also noch nicht fest, sondern nur die Zahl, die man dann bestmöglich platziert", so Beier.
Weitere Bürger- und Ratsbegehren könnten die Planung erschweren
Der Lokalpolitiker hofft außerdem noch auf weitere Veränderungen. Aus Sicht der Gemeinde Haiming sollen die Windenergieanlagen zum Teil noch weiter nach Westen verschoben werden. Dadurch könnte laut Beier der für die Bürger wahrnehmbare Geräuschpegel weiter gesenkt werden.
Prinzipiell werde in der Bevölkerung positiv wahrgenommen, dass der Stellvertreter von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Bevölkerung mit einbezieht. "Ich habe in Einzelgesprächen – auch mit Betroffenen – herausgehört, dass man schon begrüßt, dass Aiwanger hier auf einer Kompromisslinie unterwegs ist", sagt Baier.
Durch ist das Thema damit allerdings noch lange nicht. Stören könnten das Vorhaben bald neue Bürger- und Ratsbegehren. Durch diese könnte das Projekt in weiteren Ortschaften vorerst auf Eis gelegt werden. Die Folge: Die Anzahl der Windräder könnte möglicherweise noch weiter abnehmen.
Ähnlicher Widerstand wie in Mehring formiert sich aktuell auch in anderen Gemeinden: In Marktl soll zum Beispiel zur Europawahl am 9. Juni ein Ratsbegehren stattfinden.
Auch Beier erwartet, dass sich seine Kommune noch mit einem Bürgerbegehren auseinandersetzen muss. Schon in den vergangenen Monaten seien Unterschriften gesammelt worden. "Ich rechne damit, dass es noch eingereicht wird", sagt der Bürgermeister. Dann müsse die Gemeinde entscheiden, ob und wann ein Entscheid stattfindet.
Nach Abstimmung in Mehring: Weiterhin starke Stimmung gegen Windkraftanlagen
Der Bürgermeister Robert Buchner (Freie Wähler) von der Gemeinde Mehring ist der Ansicht, dass eine Großzahl an Menschen trotz Aiwangers Entgegenkommen skeptisch bleiben wird. "Ich meine, dass unsere Bürger, die mehrheitlich gegen die Windräder gestimmt haben, letztendlich auch dafür sind, dass kein einziges Windrad gebaut wird", sagt er zur AZ.
Seine Ortschaft werde deshalb weiterhin kein grünes Licht für den Bau von Windkraftanlagen auf Mehringer Grund geben. "Ich kann mir vorstellen, dass eventuell in eineinhalb oder zwei Jahren die Möglichkeit besteht, erneut einen Bürgerentscheid herbeizuführen", sagt Buchner. "Dann hoffen wir, dass wir eine Mehrheit für die Windräder finden."
Bis dahin brauche es großangelegte Informationskampagnen. Immerhin ist das Projekt für die Region und auch für Bayern von großer Bedeutung. Der Windpark soll nicht nur den Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben, sondern zudem Unternehmen wie Wacker und BASF mit Strom versorgen.