Zerfleischen sie sich jetzt?

Hillary Clinton hat die wichtigen Vorwahlen im US-Staat Pennsylvania gegen Barack Obama gewonnen. Das freut vor allem John McCain. Demokraten fürchten: Schmutz-Wahlkampf treibt die Wähler zu den Republikanern
Die Sache läuft wie immer an solchen Wahl-Abenden in Amerika: Der Sieger bleibt vor Ort, damit er seinen Triumph möglichst lange zelebrieren kann. Der Verlierer macht sich aus dem Staub und fliegt dorthin, wo die nächste Vorwahl stattfindet.
Euphorie im Clinton Lager, oder der Verlust der Jugend bei Obama
Und so tritt in der Wahlnacht eine lächelnde Hillary Clinton vor ihre jubelnden Anhänger in Philadelphia. Die Vorwahl in Pennsylvania hat sie klar gegen Barack Obama gewonnen – mit 55:45 Prozent. „Das Blatt hat sich gewendet!“, ruft sie. „Einige haben mich ausgezählt und mir gesagt, ich solle aufgeben.“ Dann wird sie pathetisch: „Aber das amerikanische Volk gibt nicht auf. Und es verdient einen Präsidenten, der auch nicht aufgibt.“ Pennsylvania war Clintons Schicksalswahl: „Das hat sie gerettet. Wenn sie nur drei Prozent weniger Stimmen bekommen hätte, dann wäre sie wohl aus dem Rennen gewesen“, sagt Amerika-Experte Martin Thunert von der Uni Heidelberg zur AZ.
Zum Zeitpunkt von Clintons Party ist Barack Obama schon auf dem Weg nach Evansville, Indiana. Dort wird am 6. Mai gewählt. „Danke, danke, danke“, sagt er halblaut, als er vor seine enttäuschten Fans tritt. Er gratuliert seiner Gegnerin und hält eine langweilige Rede. Das jungenhafte Lächeln ist weg.
Das Nerven-Duell zwischen Obama und Hillary wird zum Problem für die Demokraten: Je länger der Kampf dauert, desto mehr schwinden die Chancen, die Republikaner mit ihrem Kandidaten John McCain bei den Präsidentschaftswahlen zu schlagen.
Von der Angst auf der Zielgeraden
Auch wenn Clinton von einer Trendwende spricht: Bei den Delegiertenstimmen, die ein Kandidat für die Nominierung benötigt, liegt Obama weit vorn: Er hat bislang 1705 Stimmen sicher, sie nur 1575.
Jedoch: Immer, wenn Obama die Chance zum K.O. für Clinton hatte: In Großstaaten wie Texas, Ohio, Kalifornien und eben Pennsylvania versagte er. Das Obama-Fieber hat nur die Schwarzen, die Jungen, die hoch Gebildeten erfasst. Clinton profitiert davon, dass sich viele Amerikaner jetzt einen Erfahrenen im Weißen Haus wünschen. In Zeiten der Wirtschaftskrise und Militär-Einsätzen in Afghanistan und im Irak trauen vor allem Frauen, Ältere und sozial Schwache dem jungen Obama wenig zu. Damit Clinton auf Obama aufschließen kann, muss sie alle noch anstehenden Vorwahlen hoch gewinnen (Infokasten). Sie steht unter riesigem Druck, glaubt Politikwissenschaftler Thunert: „Eine Pechsträhne würde ihr das Genick brechen.“ Zusätzlich hofft sie auf die 800 Super-Delegierten, die wählen können, wen sie wollen. Doch auch in diesem Lager schwindet ihre Mehrheit. Umso schärfer wird jetzt der Ton zwischen den beiden. Es ist klar: Beide werden beschädigt sein, wenn sie gegen McCain zu Felde ziehen.
Die Spitzen der Demokratischen Partei sind besorgt: „Man sollte nicht die Basis der Demokratischen Partei demoralisieren, indem sich Demokraten gegenseitig angreifen“, sagt Parteichef Howard Dean. Und der Gouverneur von Tennessee, Phil Bredesen, sagt: „Die beiden machen jetzt einfach damit weiter, sich gegenseitig blutig zu schlagen – und keiner gewinnt. Das zeigt, dass es einen Weg geben muss, um dieses Problem zu lösen.“ Wie dieser Weg aussieht, dazu haben die Partei-Oberen einen Plan: Im Juni sind die Vorwahlen beendet, dann soll eine Entscheidung her, damit sich die Demokraten für den Wahlkampf mit den Republikanern wappnen können. Experte Martin Thunert glaubt, dass die Wahlen für die Demokraten nicht verloren sind: „Es kommt ganz auf den Friedensvertrag an, den Clinton und Obama schließen.“
Volker ter Haseborg