"Zensursula" braucht mehr Zeit für Kinderporno-Sperre

Schnell beraten, schnell beschlossen und dann - passiert nichts. Die für die Netzsperren gegen Kinderpornografie benötigte Software ist weder entwickelt noch getestet. Bis sie an den Start geht, könnte ein halbes Jahr vergehen.
von  Abendzeitung
Sichtung von Datenträgern mit Kinderpornografie
Sichtung von Datenträgern mit Kinderpornografie © ap

BELIN - Schnell beraten, schnell beschlossen und dann - passiert nichts. Die für die Netzsperren gegen Kinderpornografie benötigte Software ist weder entwickelt noch getestet. Bis sie an den Start geht, könnte ein halbes Jahr vergehen.

Die Sperrung von Internetseiten mit Kinderpornografie könnte sich um Monate verzögern. Telekom-Sprecher Ralf Sauerzapf sagte dem Magazin «Focus», die technische Entwicklung und Umsetzung des Verfahrens zur Sperrung der Seiten koste «mehr Zeit als gedacht».

Die Bundesregierung will mittels Internetsperren den Kampf gegen Kinderpornografie verstärken. Das Bundeskabinett hatte sich am Mittwoch auf einen entsprechenden Gesetzentwurf geeinigt. Auf der Basis von Sperrlisten des Bundeskriminalamts sollen damit alle großen Internet-Provider verpflichtet werden, den Zugang zu Kinderpornografie im Netz zu erschweren und beim Aufruf einer Kinderporno-Seite ein Stoppschild einzublenden. Zusätzlich unterzeichneten mehrere große Internetanbieter, darunter die Telekom, bereits eine freiwillige Vereinbarung zur Sperrung von Kinderporno-Seiten. Dem Telekom-Sprecher zufolge muss dazu jedoch zunächst eine Software entwickelt werden, die es bislang nicht gebe. Zudem müsse diese Software dann noch aufwendig getestet werden, «auf einigen hundert Servern», wie Sauerzapf ausführte. Die Sperre könne daher voraussichtlich erst in einem halben Jahr aktiviert werden.

Andere Länder, gleiches Netz

Wiederholungstäter müssen mit bis zu zwei Jahren Haft rechnen. Das Gesetz soll möglichst bis zur Bundestagswahl Ende September beschlossen werden. Bundestag und Bundesrat müssen noch zustimmen Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hatte im Februar noch eine deutlich frühere Sperrung von Internetseiten mit Kinderpornografie in Aussicht gestellt. Technische Einwände hatte von der Leyen damals nicht gelten lassen. In anderen Ländern werde bereits seit Jahren mit Erfolg die Sperrung von Kinderpornografie-Angeboten praktiziert. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Technik des Internets in Deutschland anders sein sollte als in Norwegen, Italien oder Kanada.»

«Nochmal machen?»

Einen peinlichen Versprecher leistete sich Von der Leyen zum Thema am Freitag in einem Interview mit dem Berlin-Brandenburger Sender Radio Eins. «Wir wissen, dass bei den vielen Kunden, die es gibt, rund 80 Prozent die ganz normalen User des Internets sind. Und jeder, der jetzt zuhört, kann eigentlich sich selber fragen, wen kenne ich, der Sperren im Internet aktiv umgehen kann. Die müssen schon deutlich versierter sein. Das sind die 20 Prozent. Die sind zum Teil schwer Pädokriminelle. Die bewegen sich in ganz anderen Foren. Die sind versierte Internetnutzer, natürlich auch geschult im Laufe der Jahre in diesem widerwärtigen Geschäft.»

Seither spotten zahlreiche Blogger und Twitterer über das Interview: «Ach, #Zensursula, danke für den Gedankenbrei im Radio-Eins-Interview. Magst du nicht das Interview löschen und nochmal machen? Besser wärs», meint zum Beispiel Twitterer «Schwanzhund».(nz/AP/epd)

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