Zehn Jahre Hartz IV: Ungeliebtes Erbe
Gerhard Schröder ist ein gefragter Mann. In Europa wollen sie alle wissen, wie das damals war vor zehn Jahren, mit Hartz IV. Viele hätten gerne solche Reformen hinter sich in Spanien, Italien und Griechenland, wo die Wirtschaft unter einem unflexiblen Arbeitsmarkt leidet, unter anderem.
Überall wäre Schröder willkommen – nur hierzulande, da gilt der Prophet nichts, auch nachdem er recht bekommen hat. Er gilt als unseriös selbst in der eigenen Partei. Erst jetzt fand es SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles gut, sein Erbe schlecht zu reden. Noch immer unterfüttert die SPD die Lesart, HartzIV sei sozialer Kahlschlag.
Das ist erwiesener Unfug. Es gibt keinen Hunger und keine Verelendung und keine Verwahrlosung in diesem Land, die materieller Not geschuldet wäre. Die Zahl der Abgehängten ist geschrumpft, nicht gewachsen. Was für ein Pfund, mit dem die SPD wuchern könnte. Stattdessen distanziert sie sich vom größten Werk von Rot-Grün. Sie schämt sich vergangener Courage und beraubt sich so dem entscheidenden Argument künftiger Wahlkämpfe: der Reformfähigkeit. „Seht her!“, könnte man sagen: „Wer bringt Reformen auf den Weg, auch wenn sie unpopulär sind? Wir können das!“
In Zeiten, da Phantasten mit „bedingungslosem Grundeinkommen“ oder „Zurück zur D-Mark“ Konjunktur haben, wäre ein solches Bekenntnis zu rationaler Tatkraft eine wohltuende Alternative. Man müsste sich nur trauen.
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