Zähes Ringen mit Kanzler Scholz: Was CSU-Boss Söder in der Asylpolitik fordert
Berlin - Nach monatelangem Streit um die Migrationspolitik haben sich die Ministerpräsidenten am Montagabend mit dem Kanzler getroffen, um endlich Fortschritte zu erzielen. Es sollte eine lange Sitzung werden. Bayerns Regierungschef Markus Söder, ein Politiker mit verlässlichem Bauchgefühl, hatte schon vor den Gesprächen mit Olaf Scholz wenig Hoffnung auf den großen Durchbruch gemacht. Es werde schon irgendetwas herauskommen, mutmaßte der CSU-Chef, aber das werde wohl am Ende nicht reichen. "Superoptimistisch bin ich nicht."
Das politische Berlin hatte sich ohnehin auf eine Nachtsitzung eingestellt. Es ging vor allem um die Frage, wer wie viel für die Flüchtlinge zahlt. Eigentlich ist Aufnahme und Integration Sache der Länder. Doch die rufen schon lange nach mehr Geld. Seit der Bund aber bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen ernst macht, ist jenes knapp.
Grenzkontrollen gefordert: Markus Söder (CSU) will die Migrationspolitik neu ordnen
Die Summe, um die es im Asylstreit geht, mutet angesichts der für nächstes Jahr geplanten Ausgaben des Bundes in Höhe von 446 Milliarden Euro klein an. Der Zuschuss an die Länder soll von 3,75 auf 1,25 Milliarden Euro sinken. Die Ministerpräsidenten sehen diese 1,25 Milliarden Euro als Untergrenze und verlangen pro Asylbewohner zusätzlich 10.500 Euro aus der Kasse von Bundesfinanzminister Christian Lindner. Der Bund wollte bislang aber höchstens 5000 Euro geben. Noch wird um eine Einigung gerungen.
Ohnehin ist die Finanzierung nicht das eigentliche Problem der Asylpolitik. Ungelöst ist vor allem die große Frage, wie die Zahl der Schutzsuchenden deutlich verringert werden kann. Söder sprach sich vor den Verhandlungen für eine grundlegende Neuordnung der Migrationspolitik aus. Darunter versteht er Grenzkontrollen mit der Möglichkeit, Flüchtlinge abzuweisen und Asylverfahren außerhalb Europas durchzuführen, zum Beispiel in den Staaten Nordafrikas.
Unterstützung bekam er für Letzteres vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Der Grüne sorgt damit in seiner eigenen Partei für Ärger. "Bislang hat mir niemand erklären können, wo das sein soll. Es ist eine Illusion zu glauben, man geht mit einem Geldkoffer in ein Land", sagte Grünen-Chef Omid Nouripour.
Die Ministerpräsidenten wollen Asylverfahren künftig schneller abschließen
Der von Kretschmann unterstützte Vorstoß von Söder und den anderen Landeschefs der Union stieß auf Widerstand im SPD-Lager. Das führte zu einer zähen Debatte bei den Vorberatungen mit der Folge, dass der Kanzler erst einmal drei Stunden warten musste. Scholz selbst hatte zuletzt darauf verwiesen, dass die von der EU beschlossene Verschärfung des Grenzregimes die Zahl der Flüchtlinge senken werde. Allerdings werden die strengen Verfahren an den Außengrenzen erst in einigen Jahren greifen und aktuell keine Entspannung bringen.

Um der Masse der Asylverfahren Herr zu werden, sollen nun Prozesse beschleunigt werden. "Zielsetzung ist, das Asyl- und das anschließende Gerichtsverfahren jeweils in drei Monaten abzuschließen", hieß es in der Beschlussvorlage der Ministerpräsidenten, die unserer Redaktion vorlag. Dazu soll in den Ämtern das Personal aufgestockt werden und die elektronische Akte das Papier ablösen.
Doch in Zeiten des Personalmangels hat der Staat Mühe, Leute zu finden. Und die Digitalisierung der Verwaltung kommt nicht vom Fleck. Beides trifft auch auf die Gerichte zu. "Wer massive Verfahrensbeschleunigungen verspricht, muss auch massiv in die Justiz investieren, will er keine falschen Erwartungen wecken", sagte der Geschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn.
Deutschlandticket und Baugenehmigungen: Um diese Themen ging es außerdem
Während die Asylpolitik intensiv diskutiert wurde, erreichten Bund und Länder eine rasche Einigung bei der Beschleunigung von Genehmigungen für den Bau von Autobahnen, Stromleitungen, Schienen und Wohnungen. Dafür schlossen sei einen Pakt, um dem Staat mehr Tempo zu machen.
"Er soll zur Verschlankung von Verfahren führen, indem das Recht modernisiert sowie Prüfschritte in Genehmigungsverfahren reduziert und standardisiert werden", heißt es dazu im gefassten Beschluss. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern unter Leitung des Kanzleramtes soll die Entschlackung der Vorschriften und Gesetze voranbringen. Erste Ergebnisse sind für das Auftaktquartal 2024 angepeilt.
Ebenfalls auf der Tagesordnung: das Deutschlandticket. Die Länder verlangen, dass der Bund mögliche Mehrkosten auch 2024 zur Hälfte übernimmt. Vereinbart wurde das nur für das Einführungsjahr 2023. Dabei geht es um etwaige Einnahmeausfälle, die über drei Milliarden Euro hinaus gehen.
Diese Summe schießen Bund und Länder schon je zur Hälfte zu, um das Angebot für Verkehrsunternehmen wirtschaftlich zu halten. Der Bund hat Erwartungen an neue Zusagen bereits gedämpft und verweist auf die angespannte Haushaltslage – und dass erst Ende 2024 zu beziffern sei, welche Mehrkosten es wirklich gibt. Eine prinzipielle Option wäre, den "Einführungspreis" von 49 Euro im Monat anzuheben. Verbraucherschützer warnen allerdings davor.