Wut auf Seehofer in der CSU

Stehende Ovationen für Seehofers Opfer: Die CSU-Fraktion stellt sich hinter Markus Söder. Solidarität, Streicheleinheiten – und ein heftiger Groll gegen den Chef  
Angela Böhm |
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Stehende Ovationen für Seehofers Opfer: Die CSU-Fraktion stellt sich hinter Markus Söder. Solidarität, Streicheleinheiten – und ein heftiger Groll gegen den Chef

MÜNCHEN Es ist die Wut, die sie treibt: Söders Truppen wetzen ihre Waffen. Es gibt erste Anzeichen, dass die Freunde des bayerischen Finanzministers den Aufstand gegen CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer planen. In der CSU brodelt es nach den Mobbing-Attacken des Regierungschefs auf sein Personal – und das schweißt die CSU-Abgeordneten zusammen.

„Bei einer Wahl des Partei-Chefs würde Söder gewinnen“, verbreiten seine Adjutanten. Sie sammeln diskret Verbündete: Es sei Söder nicht mehr zuzumuten, in der Regierung zu bleiben. Nachdem sein Chef ihm „charakterliche Schwächen“, „pathologischen Ehrgeiz“ und viele „Schmutzeleien“ vorgeworfen habe, machen sie Stimmung. Der Finanzminister solle die Fraktion übernehmen. Das wäre ein entscheidender Schachzug im Kampf gegen den verhassten Seehofer. Söder könnte dann die Fraktion wieder zu einem schlagkräftigen Bollwerk machen und gegen den Ministerpräsidenten in Stellung bringen. So wie im Januar 2007, als die Abgeordneten den damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zum Teufel jagten.

Gestern stimmten sie bereits mit ihren Füßen ab: Für Söder! Gegen Seehofer! Fast geschlossen erscheinen die Parlamentarier im Plenum, um dem Finanzminister bei seiner Haushaltsrede ihre Solidarität zu demonstrieren. Sozialministerin Christine Hader-thauer, Söder sonst in herzlicher Feindschaft verbunden, setzt sich auf der Regierungsbank extra neben ihn und streichelt ihm den Arm. Auf der anderen Seite flankiert ihn demonstrativ Innenminister Joachim Herrmann, alles andere als ein Söder-Freund.

Den Fehdehandschuh aber wirft Philipp Graf von und zu Lerchenfeld gegen Seehofer. Der Adelige, der zu Söders Hofstaat gehört, lobt die Finanzpolitik der Ära Stoiber. Söder habe schon damals wesentlich dazu beigetragen, dass eine „klare, stringente Politik“ verfolgt worden sei, und könne heute die Erfolge ernten, lobt er Söder. Gegen Seehofer erhebt er das Schwert, ohne ihn beim Namen zu nennen: „Wenn heute manche Leute glauben, sich diesen Erfolg ans eigene Revers heften zu können, so glaube ich, dass sie eher an einem Mangel an Bescheidenheit leiden und sich vielleicht ein wenig selber überschätzen.“ Söder ruft er quasi zum künftigen Ministerpräsidenten aus: „Ich bin ganz sicher, dass er auch weiß, dass in ihm die Zukunft liegt.“ Lerchenfeld: „Dem Finanzminister gehört die Zukunft.“

"Ein zu kleines Licht, um Seehofer herauszufordern"

Söder ist tief gerührt. Auch wenn die Opposition in seiner Wunde rührt. SPD-Finanzsprecher Volkmar Halbleib: „Wenn Sie fränkischen Stolz hätten, würden Sie heute Ihren Rücktritt erklären.“ Söder aber macht das Gegenteil und greift an bei seiner Haushaltsrede. „In schwierigen Zeiten muss man Ruhe bewahren, Haltung zeigen und Pflicht erfüllen.“ Theatralisch ruft er: „Bayern ist das stärkste Land, das es in Deutschland gibt. Und in der Tat, ich hab’ einen großen Ehrgeiz, meine Damen und Herren: Dass es noch besser wird!“ Seine Stimme überschlägt sich fast. Die CSU-Fraktion jubelt ihm zu. Landtagspräsidentin Barbara Stamm ruft laut: „Bravo, bravo!“ Die Hinterbänkler erheben sich zu Standing Ovations. Söders Truppen fühlen ihre Stärke.

Denn der Chef ist nicht im Haus. Seehofer ist gerade in Berlin. „Die Katze ist aus dem Haus, da tanzen die Mäuse“, analysiert einer der Besonnenen. „Wenn Seehofer oben auf der Regierungsbank säße, würde sich höchstens die Hälfte klatschen trauen.“ Am Erfolg eines Aufstands gegen Seehofer zweifeln viele. Neun Monate vor der Wahl könne sich die CSU keine Zerreißprobe leisten, versuchen sie zu beschwichtigen. Auch sei die Wut auf Seehofer mit dem Aufstand gegen Stoiber 2007 nicht zu vergleichen. Damals habe man befürchten müssen, die CSU verliere die Wahl mit Stoiber. Mit Seehofer aber stehen die Umfragen für 2013 so gut, dass er die Alleinherrschaft zurückerobern könnte. „Da ist der Söder noch ein zu kleines Licht, um Seehofer herauszufordern“, sagt ein CSU-Vorständler.

Fraktionschef Georg Schmid versucht alles, um einen Showdown zu verhindern. Mehrmals hat er mit Seehofer telefoniert. Doch der ist stur, will sich nicht bei den Gemobbten entschuldigen. „Der ist ein Narziss“, sagt Schmid intern. „Wir müssen die Wolken jetzt wegschieben, damit wieder die Sonne scheint“, erklärt er öffentlich. Sein Fraktionsvize Alexander König zitiert Fontane: „Zeit ist Balsam und friedenstiftend.“ Nach Erklärungen für Seehofers Ausraster aber suchen noch alle. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: „Will der jetzt Selbstmord machen? Das ist doch Kamikaze.

 

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