Wunder mit Makel

Der AZ-Chefreporter Matthias Maus über das deutsche "Jobwunder". Aber Vorsicht und Skepsis sind angebracht. Dennoch: Es gibt mehr Menschen den je mit bezahlter Arbeit.
von  Matthias Maus
So wie bei BMW in München profitieren viele Firmen in Deutschland vom Aufschwung
So wie bei BMW in München profitieren viele Firmen in Deutschland vom Aufschwung © dpa

München - Man muss nicht soweit gehen wie Winston Churchill, der mal sagte, er „glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“. Aber Vorsicht ist grundsätzlich geboten bei Zahlenwerken. Beim deutschen „Jobwunder“ lässt sich das Gebot zur Skepsis vorzüglich belegen. Richtig ist, es gibt mehr Menschen denn je mit bezahlter Arbeit. Das ist positiv, und wird gerne gepriesen. Weniger positiv ist die Tatsache, dass immer mehr Beschäftigte von dieser bezahlten Arbeit nicht leben können. Dass es in diesem reichen Land Regionen gibt, in denen 40 Prozent der Hartz-IV-Bezieher Aufstocker sind, die von ihrer geregelten Arbeit nicht leben können, das ist eine Schande.

Hier zahlt die Allgemeinheit für skrupellose Geschäftsmodelle von Unternehmern, die mit ehrbaren Kaufleuten nichts zu tun haben. Und was nützen die Beschäftigungsrekorde, wenn immer mehr Menschen zwei Jobs brauchen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten? Es ist nicht alles Gold, und im Schatten der Rekordgesellschaft wächst schleichend Armut. Richtig, niemand verhungert in diesem Land, aber „unsere“ Armen ziehen sich zurück aus der Gesellschaft, sie haben weniger Chancen auf Teilhabe, sie fühlen sich unverstanden und vergessen. Das ist die Realität im Job-Wunderland. Über die sollte sich niemand wegtäuschen. Für die Politik, für die Wirtschaft, für uns alle gibt es überhaupt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit.

 

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