Wulff in Afghanistan: Auch kritische Worte
Kabul - Bei einem Mittagessen mit Präsident Hamid Karsai, der ihn am Sonntag als "alten Freund Afghanistans" begrüßte, sagte Wulff: "Deutschland und die internationale Gemeinschaft werden Ihr Land, Herr Präsident, auch nach 2014 nicht im Stich lassen." Millionen Afghanen wollten den Frieden, daher müsse ihnen die Welt zu Seite stehen.
Gleichzeitig mahnte Wulff einen entschlossenen Kampf gegen den Terror an. "Afghanistan und die internationale Gemeinschaft dürfen keine Mühen scheuen, um Terror und Gewalt gegen unschuldige Menschen zu beenden." Wulff kritisierte auch Kriminalität, Drogenwirtschaft und Korruption, die zehn Jahre nach dem Beginn des internationalen Einsatzes immer noch das Leben in vielen Bereichen bestimmten.
Wulff traf am Vormittag in Kabul ein. Es ist der erste Staatsbesuch eines deutschen Bundespräsidenten am Hindukusch seit 44 Jahren. Zuletzt war Bundespräsident Henrich Lübke 1967 zu einem offiziellen Besuch in Kabul. Aus Sicherheitsgründen war die Reise Wulffs vorher nicht angekündigt worden. Begleitet wird er vom Afghanistan-Beauftragten der Bundesregierung, Michael Steiner, und Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker.
Unmittelbar nach seiner Ankunft traf der Bundespräsident in Kabul mit afghanischen Menschen- und Bürgerrechtlern zusammen. Dabei stand neben der Erörterung der Menschenrechtslage und der Situation der Frauen vor allem die politische Zukunft Afghanistans im Mittelpunkt. Wulff machte deutlich, dass die bessere Verwirklichung der Menschenrechte in Afghanistan für Deutschland ein zentrales Anliegen ist. "Ich habe großen Respekt vor den Leistungen der afghanischen Zivilgesellschaft", sagte er. Diese spiele im Übergangsprozess hin zur vollen Souveränität des Landes eine entscheidende Rolle.
Vertreter von Frauenorganisationen äußerten sich bei der Unterredung jedoch besorgt, dass Errungenschaften im Kampf gegen die Diskriminierung nach dem Abzug der internationalen Truppen gefährdet sein könnten - vor allem wenn es zu einem politischen Ausgleich zwischen Regierung und radikal-islamischen Kräften kommt. Internationale Gemeinschaft und Afghanen wollen diese und andere Fragen auf der Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember in Bonn beraten.
Nach dem Gespräch mit Vertretern der Zivilgesellschaft wurde der Bundespräsident von Karsai mit militärischen Ehren offiziell empfangen. Im Mittelpunkt der Unterredung stand die Vorbereitung der Bonner Konferenz. Die Bundesrepublik sei an dauerhaften stabilen Beziehungen interessiert, auch "weil wir die gute Entwicklung (der letzten Jahre) anerkennen", sagte Wulff. Karsai bedankte sich für die deutsche Unterstützung und erklärte: "Bonn soll das Fundament für die Zukunft Afghanistans legen, für Wohlstand, Stabilität und Frieden."
Im Mai 2010 hatte Wulffs Vorgänger Horst Köhler deutsche Soldaten in Afghanistan besucht. Mit Karsai traf er damals nicht zusammen, was zu einer gewissen Verärgerung der afghanischen Seite führte. Wenig später war Köhler wegen umstrittener Äußerungen über das deutsche Militärengagement am Hindukusch zurückgetreten.
Es ist Wulffs erster Aufenthalt in dem Land. Bundeskanzlerin Angela Merkel war zuletzt im Dezember vorigen Jahres in Afghanistan. Derzeit sind dort etwa 5000 deutsche Soldaten stationiert, mit ihrem Abzug soll Ende dieses Jahres begonnen werden.