Wolfgang Kreissl-Dörfler: „Mindestlöhne – auch für Bauern“

Er ist der Spitzenkandidat der Bayern-SPD für die Europa-Wahl. Im AZ-Interview spricht der gebürtige Augsburger Wolfgang Kreissl-Dörfler (58) über Tracht, die CSU und die Schwäche seiner Partei.
AZ: Herr Kreissl-Dörfler, in Brüssel treten Sie gerne im dunkelbraunen Trachtenlederjanker auf. Fühlen Sie sich im Europäischen Parlament als Bayer?
Wolfgang Kreissl-Dörfler: Ich fühle mich als Europäer, der in Bayern zu Hause ist.
Die CSU behauptet, nur mit ihr wäre Bayern in Brüssel vertreten. Ärgert Sie das?
Das stört mich nicht, weil es einfach nur dumm ist. Es ist nicht wichtig, welchen Dialekt ein Abgeordneter spricht, sondern welche Inhalte er vertritt und was er in Brüssel bewegt. Die CSU ist doch nur noch eine Kartoffelpartei: Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln. Da weiß keiner mehr, was die überhaupt wollen.
Was wollen Sie für Bayern?
Wenn ich die Interessen der Arbeitnehmerschaft vertrete, vertrete ich auch die Interessen der bayerischen Bürger. Ich bin auch für einen fairen Milchpreis. Der ist der faire Mindestlohn für einen Bauern. Ich will aber auch faire Mindestlöhne für alle anderen. Da aber ist der Herr Seehofer plötzlich dagegen. Beim Milchpreis ist er dafür. Ich glaube nicht, dass die CSU die Interessen der Mehrheit der bayerischen Bevölkerung vertritt.
Ist die SPD besser? Monika Hohlmeier wirft Ihrer Partei Wahlbetrug vor, weil sie mit einem „Oberfranken für Oberfranken“ antritt, obwohl der es überhaupt nicht ins EU-Parlament schaffen kann.
Dann dürfte die CSU auch keine zehn Kandidaten aufstellen, weil sie nur fünf reinbringt – oder gar niemanden. Wenn man so mit der Demokratie umgeht wie Frau Hohlmeier, ist das bedenklich. Aber woher soll sie ein Demokratieverständnis haben?
Die CSU hatte neun EU-Parlamentarier und damit mehr als Malta, Zypern oder Luxemburg. Die Bayern-SPD aber nur zwei. Konnten die für Bayern wirklich was ausrichten?
Sehr viel, weil die CSU ja auch Mehrheiten schaffen muss im Parlament. Ich habe in wichtigen Feldern mehr Mehrheiten zusammengebracht als die CSU, weil die reine Klientelpolitik macht. Die schaut über ihren Tellerrand nicht hinaus.
Bei der EU-Wahl 2004 ist Ihre Partei auf 15,3 Prozent abgestürzt und in München sogar von den Grünen überholt worden. Wie wollen Sie dem diesmal entgegenwirken?
Die Stimmung bei den Leuten ist diesmal besser als vor vier Jahren. Viele haben bei dieser Wirtschaftskrise gesehen, dass sie nur europäisch zu lösen ist. Und die Leute sagen, die CSU wählen sie nicht mehr, weil sie nicht wissen, wo sie dran sind.
Aber die SPD wählen sie auch nicht. Warum kann Ihre Partei von der Schwäche der CSU einfach nicht profitieren?
Die Antwort wüsste ich auch gerne. Warum auf einmal die FDP, deren Klientel doch aus dem großen Bankensektor stammt, die das ganze Desaster mit angezündet hat, gewählt wird? Ich muss sagen, das verstehe ich einfach nicht.
Interview: bö