Wohin mit den Guantánamo-Häftlingen?
US-Präsident Barack Obama will das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba schließen. Deutsche Politiker sind geteilter Meinungen, was mit den ehemaligen Häftlingen passieren soll.
Die Schließung von Guantánamo gehörte zu den wichtigsten Wahlkampfversprechen Barack Obamas. Sein Amtsantritt hat die Debatte über eine mögliche Aufnahme von Häftlingen in Deutschland neu belebt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich die Entscheidung über die mögliche Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen in Deutschland offen halten.
Die Bundesregierung wolle jetzt zunächst einmal die weiteren Entscheidungen des neuen US-Präsidenten abwarten, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Mittwoch Berlin. Erst dann sei klar, ob sich «Handlungsbedarf» ergebe. Grundsätzlich begrüßte er die Überlegungen, das weltweit heftig kritisierte US-Gefangenenlager auf Kuba zu schließen.
«Konsequenzen müssen Amerikaner tragen»
Deutlicher äußerte sich da Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte es in der «Frankfurter Rundschau» (Mittwoch) weiterhin ab, ehemaligen Terrorverdächtigen in Deutschland eine neue Heimat zu bieten Schäuble unnachgiebig: «Die Einrichtung von Guantanamo war ein Fehler, den im Übrigen bereits die Administration von George W. Bush korrigieren wollte. Die Konsequenzen müssen die Amerikaner tragen», sagte Schäuble der «Frankfurter Rundschau». Jene Guantanamo-Häftlinge, bei denen es keine gesetzlichen Gründe gebe, sie ihrer Freiheit zu berauben, müssten freigelassen werden. «Wenn sie aus Ländern kommen, in die sie aus Menschenrechtsgründen nicht zurückkehren können, müssen sie eben in den USA bleiben», sagte Schäuble. Er kenne keinen Grund, weshalb jemand, der zu gefährlich für Amerika sein soll, von einem EU-Land aufgenommen werden müsste.
Außenminister Steinmeier bietet Hilfe an
Empfindlich reagierte Schäuble auf den Vorstoß von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der Obama in einem offenen Brief angeboten hatte, dass Deutschland einzelne Guantanamo-Häftlinge aufnehmen könnte. «Der Außenminister ist der Außenminister. Zuständig sind die Innenminister von Bund und Ländern. Das kann jeder im Aufenthaltsrecht nachlesen.» Die Innenminister von Bund und Ländern würden sich mit der Frage beschäftigen, falls die USA eine entsprechende Bitte aussprechen würden. «Im Übrigen hat als erstes der Sprecher der SPD-Innenminister, der Berliner Innensenator Ehrhart Körting, eine Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen abgelehnt. Ich stimme ihm zu.»
Die Linke hingegen stützt die Position des Außenministers: «Steinmeier hat Recht, und Schäuble hat Unrecht», sagte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi am Mittwoch in Berlin.Grundsätzlich sei es richtig, dass die erste Adresse für die Aufnahme von Häftlingen nach der Schließung des US-Gefangenenlagers auf Kuba die USA selbst seien. Sie hätten die Menschenrechte in dem Lager verletzt und müssten dafür einstehen. Aber auch die EU-Staaten sollten sich auf eine Aufnahme einigen. «Zwei Häftlinge aufzunehmen, halten wir schon aus», meinte Gysi.
Schäuble verweigert humanitäre Geste
Michael Leutert, der menschenrechtspolitische Sprecher der Linke-Fraktion, sagte, Schäuble verweigere eine humanitäre Geste. «Die Aufnahme von 17 erwiesen unschuldigen Uiguren, die nicht nach China zurück können, wäre ein wichtiger Beitrag Deutschlands zur Unterstützung Obamas».
Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Stephan Mayer, steht auf Seiten Schäubles: «Für den Verbleib der Guantanamo-Häftlinge sind allein die USA verantwortlich. Das Vorpreschen von Außenminister Steinmeier für eine Aufnahme von Häftlingen in Deutschland ist völlig neben der Sache». Es liege der Verdacht nahe, dass Steinmeier als Kanzlerkandidat der SPD gesprochen habe. Einen vorgezogenen Wahlkampf mit unausgereiften Versuchsballons zu Lasten der Sicherheit könne sich Deutschland nicht leisten.
Wichtiger Schritt für die Menschenrechtspolitik
Der Amerika-Experte von Amnesty International Deutschland, Ferdinand Muggenthaler, hat die Entscheidung der neuen US-Regierung als wichtigen Schritt für die Menschenrechtspolitik gelobt. «Der Einsatz der USA für Menschenrechte und Demokratie wird wieder glaubwürdig», sagte Muggenthaler am Mittwoch in einem epd-Gespräch in Berlin.
Muggenthaler verwies darauf, dass es in erster Linie die Aufgabe der USA sei, das Problem Guantánamo zu lösen. «Es steht den Europäern und auch Deutschland jedoch gut an, dabei zu helfen», sagte der Experte. Die Ablehnung Schäubles beruhe auf einem falschen Sicherheitsverständnis. «Leute zu stigmatisieren und abzulehnen ist ein Fehler», sagte Muggenthaler. Ein umfassender Begriff von Sicherheit beinhalte den Schutz der Menschenrechte. Diese seien auch für ehemalige Terrorverdächtige gültig.
Auch Marianne Heuwagen, Sprecherin von «Human Rights Watch», begrüßte den Schritt Obamas und bezeichnete die Reaktion Schäubles als «unverständlich und populistisch». Deutschland habe in der Vergangenheit viel von den USA profitiert. «Einem guten Freund muss dabei geholfen werden, eine Sache wieder gut zu machen», sagte Heuwagen. (nz/dpa/AP/epd)