Wo ist Kim Jong Un?
Seoul - Wird Kim Chongun erscheinen oder nicht? Wenn Nordkorea an diesem Freitag den Gründungstag der herrschenden Arbeiterpartei feiert, wird man in Südkorea sehr genau verfolgen, ob der Machthaber des weithin isolierten Nachbarlandes aus wochenlanger Versenkung wieder auftaucht.
Die Abwesenheit des jungen Diktators - er ist Anfang 30 - seit mehr als einem Monat hat zu zahlreichen Spekulationen um den Gesundheitszustand und seine Machtstellung geführt. Die Liste geht von verschiedensten Krankheiten über Hausarrest bis zu einem möglichen Militärcoup und taktische Manöver des Regimes.
Zur Flut von Spekulationen trägt Nordkorea mit seiner Verschwiegenheit selber bei. Was immer der Grund sein mag: Die allgemeine Sorge ist, dass eine längere Abwesenheit des Herrschers in einem abgeschotteten Staat wie Nordkorea - das zudem Atomwaffen entwickelt - zu größerer Instabilität im Land als auch in der Region führen könnte. Zuletzt berichtete der US-Sender NBC unter Berufung auf eine Gruppe in Südkorea, die sich Solidarität von Nordkorea-Intellektuellen nennt, Kims 27-jährige Schwester Kim Yo Jong könnte vorübergehend die Regierungsgeschäfte von ihrem Bruder übernommen haben.
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Langjährige Nordkorea-Beobachter äußern sich jedoch vorsichtig, was Kims Zustand und Verbleib betrifft. Trotzdem macht auch sie seine Abwesenheit einigermaßen perplex. Noch im August hatten die Staatsmedien fast täglich von den üblichen Inspektionsreisen Kims im Land berichtet. Plötzlich brachen die Berichte über öffentliche Auftritte nach dem 3. September ab.
Seitdem gab es immer wieder indirekte Lebenszeichen und Signale, dass Kim noch das Sagen hat. Dazu gehörte etwa ein Brief Kim Chongun an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon Ende September. Als am vergangenen Samstag eine Delegation von nordkoreanischen Spitzenfunktionären überraschend nach Südkorea reiste, übermittelte der Stellvertreter Kims in der mächtigen Nationalen Verteidigungskommission, Hwang Pyong So, "herzliche Grüße" des Machthabers an Präsidentin Park Geun hye.
Am Dienstag berichtete die offizielle nordkoreanische Zeitung "Rodong Sinmun", dass die Arbeiterpartei dem Machthaber die Treue geschworen habe. Anlass sei der Jahrestag des Aufstiegs des vor drei Jahren gestorbenen Vaters von Kim, Kim Jong Il, zum Parteichef. Auch Südkoreas Regierung geht offenbar davon aus, dass Kim Chongun ernsthafter erkrankt sei. Es gebe geheimdienstliche Hinweise, dass er sich außerhalb von Pjöngjang erhole. Das habe Verteidigungsminister Han Min Koo Han diese Woche während einer parlamentarischen Inspektion gesagt, berichtet die Zeitung "Chosun Ilbo".
Er glaube nicht, dass Kim seine Macht abgegeben habe, sagt der Forscher Park Hyeong Jung vom Korea-Institut für Nationale Vereinigung (KINU) in Seoul zu den Gerüchten. "Es gibt keine Anzeichen für innere Unruhe. Ich denke, das Regime handelt weitgehend normal." Doch räumt auch Park ein, dass er nicht wisse, wie es um Kim wirklich bestellt ist. Es gibt Zweifel an der Stellung Kims seit der Übernahme der Macht von seinem Vater. "Es gibt Indizien, dass Kim nicht die Autorität hat", sagt ein westlicher Beobachter, der die Vorgänge in Nordkorea genau verfolgt. Das Beste wäre für Kim, am Freitag wieder öffentlich aufzutreten, sagt Experte Park. Sonst würde das die Gerüchte anheizen. Doch auch wenn er nicht auftrete, "bedeutet das nicht notwendigerweise, dass das Regime in Not ist".