Wo die Gefahr wirklich lauert

Wie schön, dass die Großmächte abrüsten – die nuklearen Risiken liegen allerdings längst woanders: bei Terroristen und in Sorgenkinder- Ländern wie Iran, Pakistan und Nordkorea
von  Abendzeitung
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad vor dem Atomzeichen. Die Welt fürchtet Nuklearwaffen in seinen Händen.
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad vor dem Atomzeichen. Die Welt fürchtet Nuklearwaffen in seinen Händen. © dpa

Wie schön, dass die Großmächte abrüsten – die nuklearen Risiken liegen allerdings längst woanders: bei Terroristen und in Sorgenkinder- Ländern wie Iran, Pakistan und Nordkorea

US-Präsident Barack Obama, Vater des neuen Abrüstungsabkommens, brachte es selbst auf den Punkt, dass es leider nicht viel bringt: „Die seltsame Wendung ist, dass die Gefahr eines Atomkriegs viel geringer geworden ist, die Gefahr eines atomaren Angriffs aber viel größer.“ Folgerichtig hat er für Montag zum bisher größten Gipfel von Regierungschefs eingeladen – Thema: Wie kann man nukleare Horror-Szenarien verhindern? Denn die Gefahren liegen längst woanders: bei unberechenbaren Staaten wie Iran oder Nordkorea. Und bei Terroristen.

Nuklearterrorismus ist das Horror-Szenario schlechthin. „Ich glaube nicht, dass sich irgendjemand die Konsequenzen vorstellen kann“, sagt Anita Nilsson, Direktorin bei der UN-Atombehörde IAEA. Allein die Fülle von Material, das in die Hände von Terroristen gelangen könnte, treibt Experten den Angstschweiß auf die Stirn: die prekäre Lage in halb-offiziellen Atomstaaten wie Pakistan und Nordkorea wie auch den früheren Sowjetrepubliken Weißrussland, Kasachstan und Ukraine. Sorge bereiten auch zivile Reaktoren oder Laboratorien. „Es gibt Dutzende Länder und Hunderte Standorte, aus denen spaltbares Material gestohlen werden kann“, so Harvard-Professor Matthew Bunn. „Es ist leicht zu schmuggeln und schwer zu entdecken.“

Die IAEA hat seit 1993 genau 1562 Fälle registriert, in denen radioaktives Material gestohlen wurde oder schlicht verschwunden ist. US-Experten sind sicher, dass auch El-Kaida-Mitglieder versucht haben, in den Besitz zu kommen. Bisher gibt es keine Hinweise, dass sie Erfolg hatten. „Aber allein die Risiken sind derart beängstigend, dass alles getan werden muss, das zu verhindern“, sagt Nilsson.

Dass Terroristen selbst an der Atombombe bauen, gilt wegen des Aufwands als sehr unwahrscheinlich. Doch auch eine „Schmutzige Bombe“, bei der Nuklearmaterial in einen herkömmlichen Sprengsatz gefüllt wird, richtet verheerenden Schaden an. Zwar kommt es nicht zur Kernschmelze, doch die freigesetzte radioaktive Wolke reicht, um das betroffene Gebiet auf Jahre unbewohnbar zu machen.

Dann gibt es noch die Staaten, die vermutlich tatsächlich an der klassischen Bombe bauen: vor allem der Iran. Präsident Mahmud Ahmadinedschad fährt eine Doppelstrategie: Einerseits beteuert er, es gehe nur um zivile Zwecke; sein Land werde zu Unrecht mit Sanktionen überzogen, nur, weil es die gleiche Technologie wolle, wie sie Dutzende andere Länder nutzen. Andererseits behindert er sämtliche Kontrollen und lehnt alle Kompromisse ab und legt mitunter bewusst den Eindruck nahe, man baue an der Bombe – vielleicht nur, um sich wichtig zu machen und ernst genommen zu werden. Doch Israel betrachtet sich angesichts seiner anti-semitischen Ausfälle als ernsthaft bedroht.

Zur Konferenz in Washington kommt der Iran ohnehin nicht. Auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu sagte gestern überraschend ab, nachdem er noch am Mittwoch seine Zusage bekräftigt hatte. Man habe Hinweise, dass mehrere Staaten, angeführt von der Türkei und Ägypten, die unerklärte Nuklearmacht Israel auffordern wollen, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Das betrachte man als anti-israelische Kampagne. So kommen nun also nur 46 Regierungschefs am Montag nach Washington, um über die wahren atomaren Gefahren zu beraten, inklusive Bundeskanzlerin Angela Merkel. Obama hat sich hohe Ziele gesetzt: Das Ergebnis müsse klar und konkret sein, und nicht „wolkig und vage“.

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