WM in Südafrika: Der Mandela-Moment

Das größte Turnier der Welt als endgültiger Sieg über die Apartheid: „Jetzt können wir beweisen, dass es keine besseren und schlechteren Rassen gibt“, sagt der Organisationschef.
Drei Jahre haben sie gekämpft, dann durften sie spielen. In der Kälte der frühen Sechziger war das. Umtost vom kalten Atlantik, auf Robben Island, der Gefängnis-Insel des Apartheid-Regimes, da setzten die politischen Gefangenen ihre Forderung durch. Fußball wollten sie spielen. 1967 gab das Regime nach, eine halbe Stunde durften sie kicken, samstags.
An der Spitze der Männer stand ein gewisser Nelson Mandela, es war der erste Triumph des Nationalheros, der 18 seiner 27 Jahre Gefangenschaft auf dem Eiland einsaß.
Zwischen zwei Toren konnten die Spieler beweisen, dass Schwarze nicht schlechter sind, wie Apartheid behauptete. Klare Regeln und Fair Play waren der Gegenentwurf zur Rassentrennung. „Auf dem Platz herrschten Fairness und Demokratie“, sagt der Autor Chuck Korr, er spricht von einer „Schule für Südafrikas spätere Führer“.
Die Engländer brachten den Fußball mit, die Schwarzen nahmen ihn den Kolonialisten ab und haben ihn nicht mehr abgegeben. Sie haben ihn verbessert. Und als die Fifa das Turnier 2004 an die „Regenbogennation“ vergab, da wurde die WM zu nationalen, ja zur kontinentalen Aufgabe.
„Das Turnier ist für die Schwarzen so wichtig wie Obamas Einzug ins Weiße Haus“, sagt Desmond Tutu. Der ehemalige Erzbischof ist neben Mandela die zweite Ikone des neuen Südafrika. Danny Jordaan, Chef des WM-Organisations-Komitees sagt: „Wenn wir die WM hinkriegen, dann haben wir endlich die Apartheid-Idee widerlegt, dass es bessere und schlechtere Rassen gibt.“ Nach dem Motto: Was Deutschland, Japan oder Südkorea können, das können wir auch: „Die WM ist das Ereignis, der Welt zu zeigen, wozu wir fähig sind.“
36 Milliarden Euro hat sich das Land am Kap die WM kosten lassen, das Turnier war ein Konjunkturprogramm, Südafrika kam relativ gut durch die Rezession. Nur die Schulden, die werden bleiben.
Es entstand für die WM dringend benötigte Infrastruktur, eine Bahnverbindung in Johannesburg beispielsweise, aber auch Stadien wie in Nelspruit, das nach drei unbedeutenden Vorrundenspielen dem Verfall preisgegeben wird. Das Geld hätte auch in Wohnbauprojekte fließen können.
Aber Zweifel, Kritik? No way!“, sagt eine hohe Regierungsbeamtin: „Niemals hätten wir diese öffentliche Aufmerksamkeit kaufen können.“ Das Land werde sich in schönsten Bilder zeigen: „Wir dürfen nur nichts falsch machen.“
Das Image-Problem Südafrikas ist der Regierung von Präsident Jakob Zuma bewusst. Rekordverdächtige Kriminalität, 5,7 Millionen HIV-Infizierte, 35,4 Prozent Arbeitslosigkeit sind Realitäten, die auch nach der WM bleiben. Und der Zwang, alle Bauten rechtzeitig fertigzustellen, hat die Korruption befördert.
Aber die Stadien sind voll, von 97 Prozent Auslastung ist die Rede, das wäre mehr als beim deutschen Sommermärchen 2006. Ein Märchen soll es auch für Südafrika werden, am besten wieder mit einem „Mandela-Moment“.
So wie 1995, als das Rugby-Nationalteam der „Springboks“ als Außenseiter Weltmeister wurde. Nach dem Sieg gratulierte Mandela dem Käptn einer Mannschaft, für die bis dahin nur die Weißen jubelten: „Sie haben Großes geleistet für dieses Land.“ Und Francois Pienaar, der weiße Spielführer antwortete dem Friedensnobelpreisträger: „Das ist nichts gegen das, was Sie für das Land getan haben“.
Die Südafrikaner hoffen wieder: Auf einen Außenseitersieg ihres „Bafana, Bafana“-Nationalteams, und auf einen neuen Mandela-Moment.
Freitag Nachmittag wird der 91-Jährige, den das „Time“- Magazine „the Greatest Man on Earth“ nennt, bei der Eröffnung der WM in Soccer City mit dabei sein. Er wird den Höhepunkt des Traums erleben, für den er vor 43 Jahren als Gefangener auf Robben Island gegen den Ball trat.
Matthias Maus