Wirft Roth hin?
Damit hatte keiner gerechnet. Noch Minuten vor der Verkündung liefen unter den Journalisten letzte Wetten, wer denn nun das Rennen gemacht hat bei den Grünen – Parteichefin Claudia Roth oder Fraktionschefin Renate Künast. Dann der Knaller: weder noch. Gewählt wurde Katrin Göring-Eckardt, die freundliche, stille, christliche Bundestagsvizepräsidentin. Vor allem für Roth ein heftiger Schlag. Am Sonntag bemühten sich zahlreiche Parteigranden, sie dazu zu bewegen, jetzt nicht hinzuwerfen. Wie es hieß, steht es aktuell 50:50, dass Roth auch als Parteichefin aufhören will.
Klar gesiegt hat Jürgen Trittin mit 71,9 Prozent. Dann folgt Göring-Eckardt mit 47,3 Prozent. Dahinter Künast mit 38,6 Prozent – nach ihrem Scheitern in Berlin der nächste Dämpfer. Am bittersten aber ist es für Claudia Roth, für die die Grünen eine Art Familie sind und die immer als Seele der Partei bezeichnet wurde: Sie kam nur auf 26,2 Prozent – und das, obwohl jedes Mitglied (wegen den zwei zu besetzenden Plätzen) zwei Stimmen hatte.
Während Künast den Siegern gratulierte, hielt sich Roth bedeckt. Auf Facebook postete sie kurz: „Das ist Demokratie“, ansonsten will sie sich heute, Montag, früh um acht äußern, ob sie beim Parteitag nächstes Wochenende überhaupt nochmal für ihren Chefposten kandidiert. Sie wurde gestern von allen Seiten bearbeitet, doch zu bleiben. Ihre Entscheidung sei offen, hieß es in der Parteizentrale. Zwar habe sie nicht unbedingt mit einem Sieg gerechnet, aber auch nicht mit einer so deutlichen Niederlage. "Ja, sie nervt - aber genau deswegen brauchen wir sie", erklärte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck.
Katrin Göring-Eckardt (46) blieb nüchtern wie immer. Doch, klar, sie freue sich, sagte sie auf Nachfragen, warum sie so ernst wirke. „Wir wollen die bürgerliche Mitte, wenn man sie so nennen will, niemand anderem überlassen“, gab sie die Richtung vor. Mit ihrer kirchlichen Prägung – sie ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche; ein Amt, das sie jetzt ruhen lassen wird – spricht sie auch bürgerliche Schichten an.
Bei vielen Realo-Grünen, aber auch bei der SPD war die Freude groß. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann: „Wir sind der Ablösung von Schwarz-Gelb ein gutes Stück näher gekommen.