Wird Cem Özdemir Außenminister und zu Erdogans Albtraum?

Der mögliche neue Außenminister könnte jemand sein, der den türkischen Präsidenten "Diktator" nennt.
Solche Töne hat man lange nicht mehr aus der türkischen Regierung gehört. "Es gibt keinen Grund für Probleme zwischen Deutschland und der Türkei, auch wenn das vergangene Jahr schwierig war", sagt Außenminister Mevlüt Cavusoglu im aktuellen Spiegel. Nun, da der Wahlkampf in Deutschland vorbei ist, glaube er an eine Normalisierung der Beziehungen.
Alleine die Tatsache, dass sich Cavusoglu an die deutsche Öffentlichkeit wendet, ist ein Zeichen der Entspannung. Doch die Suche nach einem Nachfolger von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) könnte ein neues Problem zwischen beiden Ländern generieren.
Derzeit gilt als wahrscheinlich, dass die Grünen den Posten besetzen. Und sollte das so kommen, ist der aussichtsreichste Anwärter jemand, den die regierungsnahe türkische Zeitung "Yeni Akit" einen "Vaterlandsverräter" schimpfte: Cem Özdemir, 51, schwäbelnder Sohn türkischer Eltern, einer der schärfsten Kritiker Recep Tayyip Erdogans.
Im Juni 2016 nannte der türkische Präsident ihn in einer Rede "den Mann, der in Deutschland sein eigenes Land des Völkermordes beschuldigt".
Grund war die Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich, deren maßgeblicher Initiator Özdemir gewesen ist und die bis heute nicht nur Erdogan, sondern auch oppositionelle Türken empört. Regierungsnahe Zeitungen schäumten damals vor Wut. "Yeni Safak" beschimpfte den Grünen-Chef als "Abschaum".
Der Grünen-Vorsitzende legte in der Vergangenheit wenig Diplomatie an den Tag, wenn er etwa vom "AKP-Diktator" Erdogan sprach. Mit Blick auf die inhaftierten Deutschen in der Türkei bezeichnete er den Staatschef als "Geiselnehmer". Schon 2015 hatten die Grünen unter Özdemir eine Wahlempfehlung für die pro-kurdische HDP ausgesprochen, die Erdogan als verlängerten Arm der PKK bezeichnet.
Aus Özdemirs Sicht gibt es nur einen Weg zur Entspannung: "Wie wäre es, wenn die 'Türkei den wichtigen Schritt auf #Deutschland zugeht und inhaftierte deutsche Staatsbürger*innen freilässt?", twitterte er am Samstag als Reaktion auf das Cavusoglu-Interview. Gemeint ist etwa der Journalisten Deniz Yücel, der in der Türkei im Gefängnis sitzt. Özdemir hat im Wahlkampf auch deshalb für härtere Sanktionen gegen Ankara plädiert, etwa für eine Reisewarnung.
Einen Vorteil hätte die Ernennung Özdemirs zum Chefdiplomaten aber auf jeden Fall für die deutsch-türkischen Beziehungen: Bei Außenministertreffen wäre kein Dolmetscher mehr nötig.
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