Wiedergänger wider Willen?

Der Außenminister nähert sich in Auftritt und Habitus seinem Chef und Kanzler an. Überraschend ist das nicht, beide kennen sich seit Jahren. Geräuschlos und effizient, dabei ruhig und unaufgeregt leitete Steinmeier unter Schröder das Kanzleramt. Ist er nur des Ex-Kanzlers Wiedergänger wider Willen?
Von Matthias Maus
Gestern ging’s wieder um die große weite Welt: Simbabwes Diktator solle „endlich ablassen von Gewalt und Einschüchterung“, sagte Frank-Walter Steinmeier. Der Außenminister in seinem Element.
Nun sind die lebensgefährlichen Zustände im Süden Afrikas kein Vergleich mit den Vorgängen in der SPD. Was aber raue Sitten in der Politik betrifft, da kann der Niedersachse auch in seiner Partei fündig werden. Der 52-Jährige steht sogar mittendrin.
Steinmeier, der letzte Kämpfer für Schröders Erbe
Niemand unterstellt dem gelernten Rechtsanwalt (Promotionsthema: Reaktion der Verwaltung auf Obdachlosigkeit), selbst Autor der offenen Kampagne gegen den bemitleidenswerten Parteichef zu sein. Aber Kurt Becks Empfindlichkeit und seine unaufhaltsam abstürzenden Werte verstärken den Druck. Steinmeier wird wohl Kanzlerkandidat werden müssen. Will er auch Parteichef werden? Ist er der letzte Kämpfer für Schröders Erbe? Oder ist er nur des Ex-Kanzlers Wiedergänger wider Willen? Offene Fragen. Fragen, an denen Steinmeier anscheinend Gefallen findet.
Man soll es nicht überbewerten. Aber die hemdsärmeligen Auftritte, die reibeiserne Stimme, die Lust auch an der Kontroverse, das kennt man doch noch. Ein Ton ohne Bild von Steinmeiers Reden – und nicht wenige denken: Da redet doch der Schröder! In der Tat: Der Weg der beiden war lang ein gemeinsamer. Und doch waren die Unterscheide groß bei zwei Männern, die sich perfekt ergänzen.
Der Mann fürs Grobe
1993 wurde der Referent für Medienrecht in der Niedersächsische Staatskanzlei entdeckt vom steigenden Stern der SPD. Gerd Schröder, der Ministerpräsident der nichts mehr genoss als die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, brauchte einen für die harte Arbeit des Polit-Geschäfts. Ein Job wie gemacht für den niedersächsischen Landsmann Steinmeier.
Es überraschte niemand, dass Steinmeier mit umzog nach Berlin, nach dem rot grünen Wahlsieg von 1998. Geräuschlos und effizient, dabei ruhig und unaufgeregt: Steinmeier war der geborene Chef von Schröders Kanzleramt. Um die SPD, der er seit 1975 angehört, hat er sich nie recht gekümmert. Erst recht nicht, als unter seiner Regie die „Agenda 2010“ entworfen wurde, jenes Reformwerk der Schröderschen Politik, das zwar mit für den aktuellen Aufschwung verantwortlich ist, das aber bei der SPD-Basis nie richtig genommen wurde.
Die Agenda-Fraktion
Kurt Beck hat abgeschworen, Müntefering ist zurückgetreten, nur der steife Finanzminister Peer Steinbrück gehört noch zur alten Agenda-Fraktion in der SPD – und Steinmeier: „Das ist bei mir keine Frage“, sagte er gestern auf die Frage, ob er dem Reformflügel der SPD angehöre: „Die SPD hat die Verpflichtung, etwas für die Mitte der Gesellschaft zu tun, zu der auch die meisten unserer Wähler gehören.“
Das ist eine Kampfansage: An die Linke und an die Linken in der SPD. Die wollen wohl noch immer Kurt Beck als Kanzlerkandidat, doch Steinmeier weiß, die Zeit spielt für ihn. „Gegen Ende des Jahres“ werde entschieden. Er wird es abwarten können..