Wieder viele Tote: Annan wartet auf Antwort Assads

Das Regime in Syrien verweigert sich allen internationalen Friedensbemühungen und geht weiterhin massiv gegen das eigene Volk vor.
dpa |
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Damaskus/Istanbul/Moskau - Der UN-Sondergesandte Kofi Annan wartet immer noch auf eine offizielle Antwort auf seine Vorschläge zur Beendigung des Blutvergießens. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte den Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen zu einer klaren und einheitlichen Position gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad auf.

"Was fehlt, ist eine klare Stellungnahme des UN-Sicherheitsrates", sagte Merkel am Mittwoch nach einem Gespräch mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Hamadi Jebali in Berlin. Die Arabische Liga würde sich das sehr wünschen, sagte Merkel. Sie betonte, die Bundesregierung führe intensive Gespräche mit Russland und China, die eine Resolution gegen das Assad-Regime ablehnen. Ziel sei, "ein klares Wort der Weltgemeinschaft zu hören".

Nach der Protesthochburg Homs nahmen Assads Truppen jetzt erneut die Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei und die Stadt Daraa in die Zange. In der Provinz Idlib, in der bereits am Dienstag zahlreiche Menschen umgekommen sein sollen, halten sich viele Deserteure auf. Oppositionelle berichteten am Mittwoch von Massakern in der Provinzhauptstadt Idlib und verlustreichen Gefechten in Dörfern an der Grenze zur Türkei. Allein bis zum Nachmittag zählten die Aktivisten landesweit 44 Tote, davon 34 in Idlib.

Ein Sprecher des Außenministeriums in Damaskus sagte vor der Presse, Annan habe bei seinem Treffen mit Assad am vergangenen Wochenende keinen schriftlichen Vorschlag abgegeben, sondern nur mündlich Ideen vorgetragen. Deshalb werde auch die syrische Regierung keine schriftliche Antwort geben. Man wolle nicht über die Medien verhandeln, sagte Sprecher Dschihad al-Makdissi. Der frühere UN-Generalsekretär Annan hatte nach seinem Gespräch mit Assad erklärt, er habe sich auf drei Punkte konzentriert: Ein sofortiges Ende der Gewalt, humanitäre Hilfe und Beginn eines politischen Dialogs.

Erstmals schlug nun auch Moskau schärfere Töne in Richtung seines Verbündeten in Damaskus an. Außenminister Sergej Lawrow warf Assad vor, Reformen für ein Ende der Gewalt zu verzögern. "Leider schlagen sich bei weitem nicht alle unsere Ratschläge und bei weitem nicht immer rechtzeitig irgendwie praktisch in seinen Handlungen nieder", sagte Lawrow nach Angaben der Agentur Interfax bei einer Rede im Parlament in Moskau.

Russland steht international in der Kritik, Assad zu schützen und als Vetomacht im Weltsicherheitsrat ein härteres Vorgehen gegen ihn zu verhindern. Lawrow lehnte eine militärische Einmischung in Syrien ab. Nötig seien humanitäre Hilfe und der Beginn eines Dialogs der Konfliktparteien ohne Vorbedingungen. "Wer die Macht haben soll in Syrien, muss das Volk entscheiden. Wir schützen nicht das Regime, sondern die Gerechtigkeit, das souveräne Recht der Syrer auf eine demokratische Wahl", betonte Lawrow.

Die oppositionelle Freie Syrische Armee soll sich nach mehrtägigen Angriffen der Armee aus der Stadt Idlib zurückgezogen haben. Die Deserteure sind den Regierungstruppen nach Einschätzung westlicher Militärs von ihrer Bewaffnung her deutlich unterlegen.

Die zahlreichen Todesopfer der vergangenen Wochen lasten schwer auf dem oppositionellen Syrischen Nationalrat SNC. Ein Oppositionsportal veröffentlichte eine Erklärung des bekannten Regimekritikers Kamal al-Labwani, in der dieser seinen Austritt aus dem SNC bekanntgab. Er warf der SNC-Spitze Tatenlosigkeit und Heuchelei vor.

Aus einem Bericht von Amnesty International geht hervor, dass seit Beginn der Massenproteste in Syrien systematisch gefoltert wird. Wie die Menschenrechtsorganisation in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht mit dem Titel "Ich wollte sterben" schreibt, hat das Ausmaß der Misshandlungen eine neue Dimension erreicht und erinnert an das brutale Vorgehen des Regimes unter Hafis al-Assad in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. In diesem Bericht erzählen Opfer von 31 Foltermethoden.

Die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) schlägt wegen massiver Versorgungsprobleme in Syrien Alarm. In mehreren Gebieten des Landes werde es nach Berichten immer schwieriger, an Nahrung, Wasser und Treibstoff heranzukommen, heißt es einer in Rom veröffentlichen FAO-Mitteilung. Das Welternährungsprogramm WFP schätzt, dass aktuell etwa 1,4 Millionen Menschen Versorgungsprobleme haben. Außerdem seien Zehntausende Syrer in die Nachbarländer geflohen. Beide Organisationen seien bereits dabei, etwa 100 000 Menschen im Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen, teilte die FAO mit.

Direkte humanitäre Hilfe für die Opfer des Konflikts kündigte die Leitung des Roskilde-Musikfestivals in Dänemark an. Nach einem am Mittwoch gefassten Beschluss werden der syrischen Organisation des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds 360 000 Kronen (rund 50 000 Euro) für den Kauf eines Krankenwagens gespendet. Zuvor schon hatten die Leser der Zeitung "Politiken" die gleiche Summe für einen Krankenwagen gesammelt.

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