Westerwelle will Chancen für Flugverbot über Libyen ausloten

Nach der Verhängung von Sanktionen erwägen die Vereinten Nationen jetzt auch militärische Schritte, um das Blutvergießen in Libyen zu stoppen.
von  dpa

Genf/Bengasi/Washington - Außenminister Guido Westerwelle (FDP) will am Montag die Chancen einer Flugverbotszone über Libyen mit den internationalen Partnern in Genf ausloten. Dort trat am Vormittag der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu einer Sitzung zusammen. Westerwelle will am Rande des Treffens auch mit US-Außenministerin Hillary Clinton und deren russischem Kollegen Sergej Lawrow beraten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi zum sofortigen Rückzug auf. Die einstimmige Resolution des Weltsicherheitsrats sei ein Signal an Gaddafi "und andere Despoten", dass schwere Menschenrechtsverletzungen nicht ungesühnt blieben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.  Gaddafi solle die Zeichen der Zeit erkennen und der eigenen Bevölkerung mit einem sofortigen Rückzug den Weg in die freie und friedliche Zukunft eröffnen. "Die Gewalt gegen das eigene Volke muss ein Ende haben."

Die "New York Times" berichtet, Vertreter von Weißem Haus, US-Außenministerium und Pentagon hätten sich bereits am Sonntag mit europäischen Partnern und Nato-Vertretern über ein Flugverbot ausgetauscht. Es sei aber noch keine Entscheidung getroffen, wird ein hoher US-Regierungsbeamter zitiert. Ein solcher Schritt würde nur in Abstimmung mit den Partnern beschlossen.

Westerwelle warnte im Südwestrundfunk vor voreiligen Entscheidungen. Die Ausrufung einer Flugverbotszone sei etwas anderes als deren Durchsetzung. Auf die Frage, ob das die Nato übernehmen könne, sagte der Außenminister, dies müsse zunächst mit den Vereinten Nationen besprochen werden. Es gehe nicht darum, das libysche Volk zu treffen, sondern eine Herrscherfamilie, die einen Krieg gegen das eigene Volk führe.

Aus diplomatischen Kreisen bei den Vereinten Nationen hieß es, dass für einen Beschluss über eine Flugverbotszone weitere Diskussionen unter den 15 Mitgliedern des Sicherheitsrates nötig seien. Maßnahmen des Gremiums seien unwahrscheinlich, solange die Gewalt in dem nordafrikanischen Krisenland nicht erheblich zunehme, wie etwa durch den Beschuss von Zivilisten aus der Luft.

Der Weltsicherheitsrat hatte zuvor ein Waffenembargo und Reiseverbote verhängt, Konten sollen eingefroren werden. Betroffen von den Strafmaßnahmen sind Gaddafi, vier seiner Söhne, eine Tochter und zehn enge Vertraute.

US-Außenministerin Clinton bot der Opposition im Land Hilfe an. Diese wurde vom Vorsitzende der libyschen Übergangsregierung, Mustafa Abdul Dschalil, aber umgehend zurückgewiesen: "Wir wollen keine ausländischen Soldaten hier", sagte der ehemalige Justizminister, der sich den Aufständischen angeschlossen hatte, am Sonntagabend dem TV-Sender Al-Arabija.

Abdul Dschalil wird von einem großen Teil der Aufständischen, die inzwischen den gesamten Osten Libyens unter ihrer Kontrolle haben, als Vorsitzender der am Samstag gegründeten Übergangsregierung akzeptiert. Clinton hatte am Sonntag erklärt, Washington "streckt die Hand in Richtung jener vielen verschiedenen Libyer aus, die sich im Osten (Libyens) organisieren." Es sei aber noch zu früh, eine Übergangsregierung anzuerkennen.

Dies sieht ein Teil der Aufständischen genauso: Sie verweigern Abdul Dschalil inzwischen die Gefolgschaft und gründeten in Bengasi einen libyschen Nationalrat. Dieser Rat solle der politischen Revolution ein Gesicht geben und sei keine Übergangsregierung, sagte der Sprecher des Rates, Hafis Ghoga. Die Übergangsregierung repräsentiere nicht das libysche Volk.

Am Montag gingen in der westlichen Stadt Misrata die Kämpfe zwischen den Aufständischen und den Truppen von Staatschef Muammar al-Gaddafi weiter. Die Opposition meldete, es habe auch in der Stadt Gadames erstmals Anti-Gaddafi-Demonstrationen gegeben. Die Aufständischen befürchten, dass Gaddafis Truppen versuchen könnten, die 40 Kilometer von Tripolis entfernte Stadt Al-Sawija zurückzuerobern, die am Wochenende von den Gaddafi-Gegnern "befreit" worden war.

In der US-Regierung wird laut "New York Times" diskutiert, ob das US-Militär libysche Kommunikationsverbindungen stören könnte, um die Verbreitung von Botschaften durch Machthaber Gaddafi zu unterbinden. Auch werde geprüft, ob mit Hilfe der Streitkräfte ein Korridor nach Tunesien oder Ägypten geschaffen werden könne, um Flüchtlingen bei der Ausreise zu helfen.

Der Ansturm von Flüchtlingen stellt das Nachbarland Tunesien bereits jetzt vor riesige Probleme, wie der britische Sender BBC unter Berufung auf UN-Angaben berichtete. Allein 20 000 Ägypter brauchten Nahrung und Unterkunft. In der vergangenen Woche seien rund 100 000 Menschen geflüchtet, schätzt die Weltorganisation.

Nach neuen Unruhen mit mindestens drei Toten hat das Auswärtige Amt seinen Reisehinweis für Tunesien wieder verschärft. Das Ministerium in Berlin rät nun auch von Reisen in die Hauptstadt Tunis wieder ab.

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