Westerwelle und Merkel: Fliegen sie aus der Kurve?
Das Tandem Merkel-Westerwelle könnte im nächsten Jahr sieben Wahlniederlagen einfahren – und das vorzeitige Ende von Schwarz-Gelb ansteuern.
Erst gab’s einen Fehlstart, dann sind sie gestolpert, und dann hat’s heftig gescheppert. Die Performance der schwarz-gelben Regierung erinnerte 2010 über weite Strecken an schlechte Krawall-Comedy. Doch im neuen Jahr wird’s ernst für Bundeskanzlerin Angela Merkel und Guido Westerwelle. 2011 könnten die selbst ernannten Wunschpartner aus der Kurve fliegen, zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl.
Pause gibt’s keine, die stillen Tage sind gezählt für die Regierung, vor allem bei der FDP könnte die wichtigste Veranstaltung gleich am Anfang stehen. Heute in einer Woche , am 6. Januar, haben die Liberalen ihr traditionelles Dreikönigstreffen in Stuttgart. Was in den Jahren zuvor zu Hausmessen für Guido Westerwelle geriet, könnte diesmal seine letzte Chance sein. In einer Zeit, da sich die FDP-Umfragewerte (Forsa: drei Prozent) denen der „Bibeltreuen Christen“ nähern, muss der Chef-Liberale um seine Zukunft fürchten. Westerwelle muss einen Aufstand unzufriedener Landespolitiker stoppen, und er muss Mut machen für ein Jahr mit sieben Landtagswahlen; ein Jahr, in dem es wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren gibt – für ihn und seine Kanzlerin.
Die SPD-Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit Rot-Rot?
In Hamburg rechnet niemand mit einem Erfolg der FDP, aber die CDU könnte am 20. Februar ihr erstes Debakel erleben. Unter Bürgermeister Christoph Ahlhaus hat der grüne Koalitionspartner die schwarze-grüne Vorreiter-Koalition kurzerhand platzen lassen – weil die Umfragen einfach zu gut sind. Deutlich zweistellig für die Grünen, über 40 Prozent für die SPD und ihren Chef Olaf Scholz, die CDU kommt ohne Ole von Beust auf gerade mal 22 Prozent. Die SPD freut sich auf eine Renaissance.
Geht’s für die SPD gut aus in Hamburg, könnte sie sich einen Monat später selbstbewusster der SPD-Gretchenfrage stellen: Wie hältst du’s mit Rot-Rot? In Sachsen-Anhalt liegt die Linke umfragemäßig vor der SPD. Kommt es zum SPD-Linke-Pakt, verlöre die CDU einen weiteren Ministerpräsidenten. Amtsinhaber Wolfgang Böhmer tritt ohnehin nicht mehr an. Wirtschaftsminister Reiner Haseloff soll’s richten, wenn möglich mit einer großen Koalition mit der SPD.
Echte Endspielatmosphäre gibt’s eine Woche später, am 27. März. Mit Baden-Württemberg steht ein politisches Herzstück der Republik auf der Kippe: Setzt sich Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) durch? Kann sich die FDP in ihrem Stammland im Parlament halten? War es eine gute Idee von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Landtagswahl zur Entscheidung über den Bahnhof von Stuttgart 21 zu machen?
Wenn nicht, dann wird mit Winfried Kretschmann womöglich der erste Grüne Ministerpräsident eines Bundeslands. Die SPD müsste sich den Umfragen zufolge in die Junior-Rolle einer grün-roten Regierung fügen. Die Grünen fürchten die Umfragen: „Wir bleiben auf dem Teppich, aber der fliegt“, sagt Kretschmann (62). Die Skepsis ist berechtigt. Nach der Bahnhofs-Schlichtung von Heiner Geißler stabilisiert sich die CDU, die Grünen bauen leicht ab.
Bangen muss am selben Tag auch Kurt Beck. Der Ministerpräsident in Mainz verteidigt in Rheinland-Pfalz die letzte SPD-Alleinregierung. Die Umfragen sagen ihm Verluste voraus – aber der CDU-Opposition bleiben die Vorwürfe von „Rheinland-Filz“ im Halse stecken. Unions-Spitzenfrau Julia Klöckner hat Mühe, die illegale Finanzierung des letzten Wahlkampfs allein ihrem Vorgänger Christoph Böhr in die Schuhe zu schieben. Dem Sieg in Helmut Kohls Heimatland kommt sie so nicht näher.
Weniger spannend dürften die Wahlen in Bremen (Rot-Grün, 22. Mai) und in Mecklenburg-Vorpommern (SPD/CDU 4. September) werden. Letzter Höhepunkt ist am 18. September, wenn Renate Künast die Hauptstadt für die Grünen erobern will. Titelverteidiger Klaus Wowereit von der SPD hat was dagegen. Derzeit liegt „Wowi“ knapp vorne.
Dass die CDU dabei keine Rolle spielt, kann Bundeskanzlerin Angela Merkel noch verschmerzen. Niederlagen auch in allen anderen Wahlen sind aber durchaus drin. Und so könnte 2011 für Merkel werden, was 2005 für Gerhard Schröder war. Auch der verlor mit NRW ein Stammland, der SPD-Kanzler wollte und bekam Neuwahlen. Der Ausgang warf ihn aus dem Amt und beendete seine politische Karriere.
Matthias Maus