Westerwelle, Merkel und Seehofer: Die drei Fragezeichen

Merkel, Westerwelle und Seehofer wissen einfach nicht, was sie miteinander anfangen sollen. Nun braucht ihre Beziehung schon wieder einen Neustart. Auch der wird daneben gehen
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BERLIN - Merkel, Westerwelle und Seehofer wissen einfach nicht, was sie miteinander anfangen sollen. Nun braucht ihre Beziehung schon wieder einen Neustart. Auch der wird daneben gehen

Jetzt versuchen die drei Chefs also den nächsten Neustart ihrer Holper-Koalition. Nachdem Schwarz-Gelb den Regierungsmotor von Beginn an regelmäßig aufjaulen ließ und dann abwürgte, haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle am Mittwochabend im Kanzleramt zum christlich-liberalen Tüv getroffen.

Offiziell standen die Neuregelung der Hartz-IV-Sätze, die Änderung der Zuverdienstgrenzen für Langzeitarbeitslose sowie die Zukunft der Jobcenter auf der Tagesordnung. In Wirklichkeit war das Tête-à-tête aber ein Beziehungsgespräch, um eine Ehe zu retten.

Denn eines haben die ersten 120 Tage der vermeintlichen Wunsch-Partner gezeigt: Unionisten und Liberale werden einfach nicht warm miteinander. Von einem christlich-liberalen Projekt fehlt ebenso jede Spur wie von Gemeinschaftsgeist. Stattdessen sind kleinkarierter Zank und Pöbelei an der Tagesordnung.

Westerwelle, dem in Berlin das Image des Sensibelchens nachhängt, soll sich am Montag in einer Koalitionsrunde bitter darüber beklagt haben, von der Union in seiner Sozialstaatkritik nicht genügend unterstützt zu werden. Merkel soll sich ihren Vize daraufhin heftig zur Brust genommen haben: Es sei „einigermaßen befremdlich“, dass Westerwelle sich als der einzige Reform-Motor in der Regierung fühle.

Einen Zickenkrieg liefern sich die schwarz-gelben Truppen auch in der Gesundheitspolitik, wo man programmatisch meilenweit auseinanderliegt: Die CSU wirft der FDP „mimosenhafte Empfindlichkeit“ vor, die Liberalen bezichtigen den Partner „krampfhafter Profilierungsversuche“.

Alle bisherigen Versöhnungsversuche sind gescheitert: Erst vor fünf Wochen hatten sich die drei Vorsitzenden getroffen, um einen Koalitionsstreit über Milliarden-Steuersenkungen und Boni für Hoteliers zu stoppen.

Man ließ sich sogar eigens zum Edel-Restaurant „Borchardt“ chauffieren und verspeiste dort vor Fotografen „Steak Tartar“. „Tschüß Angela“, gurrte Westerwelle beim Verlassen des Lokals – um kurz darauf unabgesprochen seine Ego-Attacke gegen Hartz-IV-Empfänger zu reiten, vor spätrömischer Dekadenz zu warnen und über Schneeschipp-Pflichten für Langzeitarbeitslose zu phantasieren.

„Diese Diskussion hätten wir uns sparen können“, rüffelte Seehofers Duz-Freund Guido erst gestern wieder für dessen Hartz-Rhetorik. Die Bevölkerung wünsche sich von der Regierung konkrete Arbeit und klare Linie, keine stimmungsgeleiteten Aufgeregtheiten: „Was soll das, wenn man jede Woche irgendein anderes Thema in dieser Art und Weise ohne jeden erkennbaren Beitrag ,debattiert’?“

Ansehen in der Bevölkerung gewinnt der FDP-Chef mit seiner Krawall-Rhetorik nicht, im Gegenteil: Laut neuer Forsa-Umfrage liegen die Liberalen mit acht Prozent weiter im Stimmungstief. 60 Prozent halten Westerwelle gar als Außenminister für „ungeeignet“ – ein Kunststück bei einem Amt, das eigentlich ein Selbstläufer für Popularität ist.

Irgendwie läuft derzeit alles schief in der Koalition. Als sich CDU, CSU und FDP diese Woche ausnahmsweise einmal über ein zweitrangiges Thema wie die Solarförderung einigten, jubelte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier schon über ein „Frühlingserwachen bei der Koalition“. Prompt schneite es gestern wieder im kalten Berlin. Markus Jox

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