Westen erhöht im Atomstreit Druck auf den Iran
Im eskalierten Streit um die Entwicklung von Atomwaffen hat der Iran sein Botschaftspersonal aus London abgezogen. Das Regime in Teheran reagierte damit am Freitag auf ein Ultimatum der britischen Regierung.
London -Auslöser der britischen Forderung war, dass hunderte Demonstranten am Dienstag in Teheran die britische Botschaft verwüstet hatten. Zuvor hatte wiederum Großbritannien schärfere Sanktionen gegen Iran wegen dessen Nuklearprogramm beschlossen.
Großbritanniens Außenminister William Hague hatte den iranischen Diplomaten eine Frist für die Abreise bis 14 Uhr (Ortszeit) gesetzt. Auch Teheran verwies daraufhin die britischen Diplomaten des Landes. Die iranische Führung warnte zudem den Westen erneut vor einem Militärschlag.
Kurz nach den Sanktionsbeschlüssen der europäischen Außenminister im Streit um das iranische Atomprogramm stimmte in der Nacht zum Freitag der US-Senat für neue Sanktionen gegen die Teheraner Zentralbank. Die von den regierenden Demokraten beherrschte Kongresskammer setzte sich damit über Bedenken des Weißen Hauses hinweg. Unternehmen oder Geldhäusern, die mit Irans Notenbank zusammenarbeiten, soll der Zugang zum US-Markt verwehrt werden.
Das Weiße Haus hatte nach Informationen der "Los Angeles Times" vor solchen Sanktionen gewarnt. Sie könnten Auswirkungen auf den Ölpreis und auf die US-Wirtschaft haben und die internationale Front gegen das iranische Atomprogramm schwächen. "Das Verhalten des Irans ist inakzeptabel und stellt eine Gefahr für die Vereinigten Staaten und die gesamte Welt dar", begründete dagegen der demokratische Mehrheitsführer, Harry Reid, das Votum im Senat. Der Westen wirft dem Iran vor, heimlich Atombomben zu bauen.
Am Donnerstag hatten die EU-Außenminister deshalb beschlossen, massive Wirtschaftssanktionen, darunter ein Verbot von Öleinfuhren aus dem Iran, vorzubereiten. Auch soll das Finanzsystem des Landes von jenem des Westens abgeschnitten werden. Bisher war die EU vor einem Importstopp für Öl zurückgeschreckt, weil vor allem Griechenland und Italien stark von iranischen Einfuhren abhängig sind.
Der iranische Botschafter in Berlin, Ali Resa Scheich Attar, sagte der "Financial Times Deutschland" (Freitag), der EU-Boykott werde seinem Land nichts ausmachen. "Er ist sogar positiv, denn dadurch wird der Ölpreis in die Höhe getrieben und wir verdienen mehr." Ohnehin sei der europäische Markt nicht wichtig, weil Iran hauptsächlich nach Asien exportiert. "Nur 20 Prozent des iranischen Öls geht nach Europa. Nach Deutschland fast gar nichts."
Jüngste Vorwürfe, Iran plane im Falle eines Angriffs auf Atomanlagen Anschläge auf US-Ziele in Deutschland, bezeichnete der Botschafter als "Witz". "Diese Behauptungen haben uns ebenso zum Lachen gebracht wie der Vorwurf, wir hätten einen Anschlag auf den saudischen Botschafter in Washington geplant", sagte er. Selbst wenn der Iran diese Absicht gehabt hätte, hätte man keineswegs so stümperhaft gehandelt. Vor allem Israel, das sich von dem Nuklearprogramm besonders bedroht fühlt, droht mit Luftangriffen auf die Anlagen.
US-Vizepräsident Joe Biden rief die türkische Regierung im Atom-Streit mit dem Iran zu weiteren Sanktionen auf. Diese seien nötig, um den Weg zu einer Verhandlungslösung abzusichern, sagte Biden der türkischen Zeitung "Hürriyet" vor einem Besuch in Ankara am Freitag. "Darum ermuntern wir unsere Partner, auch die Türkei, Schritte für neue Sanktionen gegen Iran zu ergreifen", sagte Biden.
Ob alle iranischen Diplomaten tatsächlich Großbritannien verlassen hatten und wann die Botschaft wieder geöffnet werden könnte, war am Freitag bis zum frühen Abend unklar. Die Beziehungen zwischen dem Iran und Großbritannien sind seit Jahrzehnten angespannt. 1989 beispielsweise hatte der iranische Revolutionsführer Ajatollah Khomeini zur Ermordung des britisch-indischen Schriftstellers und Koran-Kritikers Salman Rushdie aufgerufen. Dessen Roman "Die satanischen Verse" war von islamischen Fundamentalisten als blasphemisch gebrandmarkt worden.