Wer wird der neue Strauss-Kahn?
Ein Deutscher? Eine Französin? Oder tatsächlich ein Kandidat aus einem Schwellenland? Bei der Suche nach einem Chef für den IWF spielt der Staaten-Proporz die wichtigste Rolle.
New York - Ein grauer Overall ohne Taschen, damit ihm niemand etwas zustecken kann. Am Donnerstag war auf der Gefängnisinsel Rikers Island, auf der Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn einsitzt, Besuchstag für Häftlinge von M bis Z. Sollte – was wahrscheinlich ist – Strauss-Kahn Besuch von seiner Fau bekommen haben, musste er sie in der Einheitskluft empfangen.
„Unendlich traurig” hatte DSK, wie ihn die Franzosen nennen, zuvor seinen Rücktritt vom Vorsitz des Internationalen Währungsfonds IWF erklärt. Ihm war wenig Anderes übriggeblieben, nachdem auch die USA von ihm abgerückt waren. Anhörungen am Donnerstag und am Freitag sollten klären, ob DSK in Haft bleiben muss, oder – wie beantragt – gegen eine Million Dollar Kaution mit einer elektronischen Fußfessel freikommen könnte. Der 62-Jährige bot an, im Haus seiner Tochter Camille in New York auf eine eventuelle Anklage zu warten. Am Montag hatte eine Richterin diesen Vorschlag allerdings bereits abgelehnt.
Währenddessen kommt das Kandidaten-Karussel für die Nachfolge Strauss-Kahns in Schwung. Der Franzose hatte während seiner Amtszeit den Schwellenländern zu mehr Gewicht im Fonds verholfen – jetzt pochen deren Regierungen auf Mitsprache.
Unter anderem China: „Grundsätzlich glauben wir, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer in den Spitzenpositionen vertreten sein sollten”, sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Peking, Jiang Yu. Chinesische Medien brachten eine Reihe von Namen ins Gespräch: unter anderem den früheren Vizegouverneur der chinesischen Zentralbank und heutigen Berater Strauss-Kahns, Zhu Min, oder den amtierenden Zentralbankchef Chinas, Zhou Xiaochua. Auch Brasiliens Finanzminister Guido Mantega sagte, der künftige IWF-Chef müsse nicht zwingend ein Europäer sein. Südafrika fordert sogar offen einen IWF-Chefbanker aus einem Entwicklungsland.
Damit wenden sich die ärmeren Länder gegen eine Jahrzehnte alte Absprache. Demnach kommt der Chef des IWF aus Europa, die Weltbank-Spitze wird von einem Amerikaner besetzt. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel will den Führungsanspruch Europas nicht aufgeben. Immerhin, sagte sie, spiele der Fonds in der Euro-Krise eine wichtige Rolle.
Falls die Europäer zum Zuge kommen, gilt die französische Finanzministerin Christine Lagarde als aussichtsreichste Kandidatin – auch wenn sie sich wiederholt dem Vorwurf ausgesetzt sieht, den früheren Fußball-Unternehmer Bernard Tapie unter die Arme gegriffen zu haben. Lagardes Pluspunkt: Sie ist in den USA bestens vernetzt.
Lagarde wird dem Vernehmen nach jetzt sogar von Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt. Aber es werden auch Deutsche genannt: Ex-Bundesbankpräsident Axel Weber – der sich jedoch seine Karriereaussichten durch den abrupten Rückzug von der Kandidatur für den Vorsitz der Europäischen Zentralbank verbaut haben dürfte. Ein weiterer denkbarer Kandidat, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, gilt im Ausland wegen seines zuweilen lärmenden Auftretens als chancenlos.