Wer stoppt den Benzinpreis?
Energiekrise als Dauerzustand – was Staat, Verbraucher und Techniker jetzt tun können. Ein Fachmann über Steuern, Spekulanten und den Einfluss von Olympia in Peking.
Einsfünfzig, einsdreiundfünfzig, bald einssechzig. Wohin soll das noch führen? Kann irgendjemand den Benzinpreis wieder einfangen? Einfache Frage, komplizierte Antwort, sagt Heino Elfert vom „Energie Informationsdienst Deutschland“ (EID) im AZ-Gespräch. Der EID ist ein unabhängiger Expertenpool, der Industrie und Wirtschaft in Energiefragen berät. Am Wochenende bemühen sich die Fachminister auf dem EU-Krisengipfel in Brüssel um eine Lösung, und die Saudis in Arabienwollen die Förderquoten erhöhen. „Das geht in die richtige Richtung“, sagt EIDFachmann Elfert. „Die Erhöhung der Fördermenge bedeutet eine Steigerung des Angebots. Das ist ein Teil der nötigen Strategie.“
Was muss noch geschehen?
„Die Nachfrage muss sinken“, sagt Elfert. „Das tut sie bei uns in den Industrieländern, erstmals auch den USA“, sagt der Experte. „In Indien, China, aber auch in Südamerika steigt die Nachfrage. Dort ist der Sprit künstlich billig – er kostet nur 40 bis 50 Cent. Jetzt denken einige Regierungen über Subventionskürzungen nach“. Das könnte die Nachfrage dämpfen. „China wartet damit noch, fürchtet Inflation und will Ruhe vor Olympia. Vorher wird sich die Lage nicht entspannen.“
Welche Rolle spielen die Spekulanten?
Welche Rolle spielen die Spekulanten? „Deren Spiel geht auf, solange Öl knapp ist und die Nachfrage steigt“, sagt Elfert. „Wenn die Spekulanten ein starkes Signal bekommen, dass sich der Trend umkehrt, könnten die Preise sinken.“ Was kann die Politik tun? „Steuersenkungen scheiden wohl aus“, sagt Elfert. „Da hat der Finanzminister aus Haushaltsgründen etwas dagegen, und es wäre auch aus übergeordneten Gründen falsch“, so Elfert. „Wir müssen den Verbrauch senken.“
Ist ein Ölpreis unter 100 Dollar überhaupt noch vorstellbar?
„Durchaus“, meint Elfert – auch in der Vergangenheit seien der Ölpreis nach Krisen zurückgegangen. „Tendenziell wird er auch weiter steigen. Aber wenn die Investitionen in Förderstätten greifen, die jahrlang versäumt wurden, dann sind vorübergehend sinkende Preise vorstellbar.“ Gibt es Hoffnung auf Entspannung vor den Ferien? Elfert braucht ein Wort: „Nein
Wo der Staat am Sprit mitverdient
Rund 70 Prozent des Benzinpreises entfallen auf Steuern, sagt die Mineralölindustrie. Der Staatsanteil sei seit den neunziger Jahren stetig gewachsen. Tatsächlich liegt der Steueranteil beim Liter Normalbenzin bei 65,45 Cent (Diesel 47,07). Dieser Steuersatz ist laut Finanzministerium seit 2003 fix. Er erhöht sich nicht mit dem Warenpreis. Die Mehrwertsteuer von 19 Prozent wächst mit denWarenpreis (Importpreis plus Kosten und Gewinne der Konzerne plus Mineralölsteuer). Dennoch, sagt Finanzminister Steinbrück: „Der Staatsanteil an den Kraftstoffkosten ist so niedrig wie nie.“ Bei Super sei der Staatsanteil im Vergleich zu 2007 von 64,4 auf 59,6 Prozent – bei einem Literpreis von 1,50 Euro – zurückgegangen. Kassiert der Staat bei der Ökosteuer ab? „Fast das gesamte Ökosteueraufkommen geht in die Rentenkasse“, sagt Steinbrück. Ohne die Ökosteuer wäre der Rentenbeitrag um 1,7 Prozent höher. Das stärke dieWettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.
Der Weg zum teuren Kraftstoff von heute
1950 kostet der Liter Normalbenzin umgerechnet 26,8 Cent, Diesel 17,2 Cent.
1973: Ölkrise! Die arabischen Förderländer haben die produzierte Menge drastisch reduziert, der Literpreis für Normal steigt auf 35,3 Cent, Diesel 35,8.
1981:Zweite Ölkrise als Folge des ersten Golfkriegs. Normal: 70,1; Diesel 65 Cent. 1988: Ölschwemme: Normal 47,1; Diesel 45,3.
1999. Erste Stufe der Ökosteuer in Kraft: Normal 84,1; Diesel 63,9.
2005: Ende August 1,37 € für Normal (1,11 Diesel). der Rekordpreis sinkt in der Folge wieder
2006: 1,18 € im November für Normal (Diesel 1,05). Von da an geht’s bergauf.
2008: Am 19. Juni kostet der Liter Normal an Münchens günstigster Tankstelle 151 Cent. Diesel ist mittlerweile fast genauso teuer
- Themen:
- Peer Steinbrück